Es erschienen nach vorheriger Anmeldung beim Herrn Ministerpräsidenten die Abgeordneten Haase und Dittmann von der USPD. Anwesend war außerdem Unterstaatssekretär Albert.
Die Abgeordneten Haase und Dittmann legten etwa folgendes dar:
Der eigentliche Anlaß ihres Kommens sei die Verhaftung des Vollzugsrats. Dieser Anlaß sei zwar durch Enthaftung des Vollzugsrats gegenstandslos geworden; sie hielten es aber doch für richtig und ihre Pflicht, im Interesse der Gesamtheit einmal die gegenwärtige Situation zu besprechen und ihrerseits darzulegen. Die Partei sei gegen den Generalstreik. Es hätten Verhandlungen über diese Frage stattgefunden, und man sei einig gewesen, daß ein Generalstreik stattzufinden habe, falls die Regierung das Ultimatum unserer Gegner abgelehnt hätte. Nachdem sie sich bereit erklärt habe, den Vertrag zu unterzeichnen, sei eine Entspannung eingetreten und von der USPD beschlossen worden, in jedem Falle von einem Generalstreik abzusehen.
Unter diesen Umständen sei es aber ganz falsch, daß die Regierung in dieser scharfen Weise vorgehe. Das Verbot Noskes gegen den Eisenbahnerstreik entbehre jeder rechtlichen Grundlage. Der einzig richtige Weg sei, mit den Eisenbahnern zu verhandeln, deren Forderungen sie (Haase und Dittmann) nicht kennten, die aber vielleicht doch nicht unberechtigt seien. Die Regierung solle sich nicht immer auf ungenügendes Material stützen, das zum Teil absichtlich gefälscht sei; insbesondere hätten die Unterlagen für die Verhaftung des Vollzugsrats ebenso wenig ausgereicht wie die Unterlagen für die Verhaftung des inzwischen wieder entlassenen Zentralrats der Eisenbahner6. Das beim Zentralrat gefundene Flugblatt möge zwar von der Kommunistischen Partei unterschrieben sein. Da es aber dem Vorstand dieser Partei nicht an Mut fehle, so wäre doch auffallend, daß die Namen nicht unterschrieben wären. Es sei also nicht ausgeschlossen, daß auch dieses angeblich in 500 000 Exemplaren gefundene Flugblatt nicht von der Kommunistischen Partei, sondern von anderer Seite hergestellt sei.
Ministerpräsident Bauer begnügte sich, darauf hinzuweisen, wie sehr auch er den Wunsch habe, daß die Gegensätze zwischen den Arbeitern verschwänden, wie er selbst immer in dieser Richtung gewirkt habe und auch in Zukunft wirken werde. Er begnügte sich im übrigen, seiner abweichenden Auffassung über die Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit des Vorgehens der Regierung kurz Ausdruck zu geben.
Ein eigentliches Ergebnis hatte die Besprechung nicht.
Der Eindruck war, daß eine gewisse Unruhe bei den Führern der USPD besteht und sie den Wunsch hatten, ihre Unbeteiligtheit an den Vorgängen darzulegen.
Quelle: Akten der Reichskanzlei, Weimarer Republik, Das Kabinett Bauer, Band 1, Nr. 6
bearbeitet von Anton Golecki, Boppard am Rhein 1980, online abrufbar unter www.bundesarchiv.de