Die Schulfrage in der Verfassung
Die Weimarer Reichsverfassung brachte einige rechtliche Neuerungen. So beschloss der Verfassungsausschuss unter anderem, dass eine Gleichberechtigung in der Bildung hergestellt werden muss bzw. durch das Inkrafttreten der Verfassung in der Republik verankert wird. Die Volksschule sollte kostenlos für alle sein, während Wissenschaft und Kunst alle Freiheiten genießen sollten. Gleichzeitig sollten die Bildungseinrichtungen auf die demokratische Verfassung verpflichtet werden.
Volltext:
Abstimmung im Verfassungsausschuß
(Telegramm unseres Korrespondenten.)
H. Weimar, 4. April.
Der Verfassungsausschuß der Deutschen Nationalversammlung nahm heute die Abstimmung über die Schulfragen vor. Das Ergebnis war, daß Artikel 31 folgende Fassung erhielt: Dabei wurde einer weiteren Redaktion vorbehalten, den ersten Absatz des Artikels zu einem besonderen Verfassungsartikel zu machen:
Artikel 31.
„1. Die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre dürfen keinem äußeren Zwange unterworfen werden; sie sind frei. Der Staat gewährt ihnen Schutz und nimmt an ihrer Pflege teil.
2. Für die Bildung der Jugend ist durch öffentliche Anstalten zu sorgen, bei deren Einrichtung Reich, Länder und Gemeinden zusammenwirken. Die allgemeine Schulpflicht umfaßt die Volksschule mit mindestens 8 Schuljahren und die an diese anschließende Fortbildungsschule bis zum vollendeten 18. Lebensjahre.
3. Die Lehrer an den öffentlichen Schulen haben die Rechte und Pflichten der Staatsbeamten. Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates. Er führt diese durch hauptamtlich tätige, fachmännisch vorgebildete Beamte aus.
4. Die Errichtung von Privatschulen bedarf der Genehmigung des Staates. Sie unterstehen den Landesgesetzen. Private Volksschulen sind nur zuzulassen, wenn sie in ihrem inneren Aufbau nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen.
5. Das öffentliche Schulwesen ist organisch auszubauen. Auf einer für alle gemeinsamen Grundlage (der allgemeinen Volksschule) baut sich das mittlere und höhere Schulwesen auf. Für diesen Aufbau ist die Mannigfaltigkeit der Lebensberufe, für die Aufnahme eines Kindes in eine bestimmte Schule müssen Anlage und Neigung, nicht die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung seiner Eltern maßgebend sein.
6. In allen Schulen ist persönliche und staatsbürgerliche Tüchtigkeit und sittliche Bildung auf deutsch-volkstümlicher Grundlage zu erstreben. Staatsbürgerkunde ist Lehrgegenstand in allen Schulen. Jeder Schüler erhält bei Beendigung des Schulunterrichts einen Abdruck der Verfassung.
7. Der Unterricht und die Lehrmittel in den Volksschulen sind unentgeltlich. Durch Bereitstellung öffentlicher Mittel ist jedem Unbemittelten der Zugang zu der seiner Begabung und Neigung entsprechenden mittleren und höheren Schulen zu ermöglichen.“
Der Artikel 31a, der die Frage des Religionsunterrichts als ordentlichen Lehrgegenstand in der Schule festlegt, wurde in der Fassung des Antrages Naumann angenommen.
[…]
Quelle:
Das Berliner Tageblatt vom 05. April 1919, 48:150(1919), Morgenausgabe, S. 3.