Gutes im Schlechten, Schlechtes im Guten
Es können Revolutionen ausbrechen, Aufstände in den Einzelstaaten aufflammen, Hungersnot herrschen und insgesamt viele Irrungen und Wirrungen eintreten; doch am Ostermontag bleibt die Welt so wie sie immer war und ist: alle Zeitungen - vom großen bis zum kleinen Regionalblatt - veröffentlichen am Ostermontag des Jahres 1919 keine Ausgabe. Der Widerstreit zwischen besagten Irrungen, den neuen Verhältnissen und dem trotzdem vorhanden Aufatmen ob des nun herrschenden Waffenstillstandes hat allerdings der Simplicissimus festgehalten und einen Tag später veröffentlicht.
Volltext:
Die Trennung
Nun steht´s in der Verfassung da
(Artikel dreißig und dreißig a)
und überkommt den Menschen plötzlich:
Die Glaubensfreiheit ist gesetzlich!
Manch´ alte Dam´ erfasst ein Graus,
manch´ Pfarr´n bleibt gar die Puste aus:
Die Kirche ist aus dem Staat heraußen
und steht als Aschenbrödel draußen!
Nun nun - da muss man nicht gleich wein´n
die kommt schon wieder gut hinein!
Man möchte mit Herrn von Goethe sagen:
Die Kirche hat einen guten Magen:
Sie hat schon manches scharfe Kraut,
manch bittre Pille schon verdaut
und bleibt adrett und fett und fleißig…
die stirbt nicht am Artikel dreißig!
Emanuel
Quelle:
Simplicissimus vom 22. April 1919, Nr. 4 des 24. Jahrganges
In: http://www.simplicissimus.info/index.php?id=6&tx_lombkswjournaldb_pi1%5Bvolume%5D=22&tx_lombkswjournaldb_pi1%5Baction%5D=showVolume&tx_lombkswjournaldb_pi1%5Bcontroller%5D=YearRegister&cHash=fb225a1a3a126c28a2237b1673599ffb