Die Weimarer Republik – Deutschlands erste Demokratie

DE | EN

Leben geht durch den Magen

Die Nahrungsmittelkrise ist auch im anbrechenden Frühling - einige Monate nach dem Waffenstillstand - noch immer nicht gelöst. Aber zumindest ist eine Verbesserung der Versorgungsverhältnisse in Sicht. Zugleich scheinen aber auch diese verkompliziert zu werden, denn die Mark schwächelt aufgrund der Unruhen. Somit wird auch das eingeführte Essen teurer. Ein wahrer Teufelskreis.

Volltext:

Zur Lebensmittelversorgung.

Die Verteilung des amerikanischen Specks.

Von zuständiger Stelle wird mitgeteilt, daß erhebliche Mengen amerikanischen Specks bereits nach Deutschland gebracht worden sind. Er ist noch nicht zur Ausgabe gelangt, weil seine Verteilung einen großen Aufwand an Zeit, Material und Personal erfordert. Es müssen etwa 3000 Waggons zur Beförderung des ganzen Specks nach den einzelnen Teilen des Reiches bereit gestellt werden. Für Berlin allein sind wöchentlich 50 bis 55 Waggons erforderlich, mit denen 2000 bis 2500 Speckseiten herangebracht werden können. Leider befindet sich der Speck nicht durchaus in tadellosem Zustande. Bei seiner Reinigung, Untersuchung und Einlagerung sind allein in Berlin 300 bis 400 Personen beschäftigt. Es wird also immerhin noch einige Zeit dauern, bis der Speck zur Verteilung gelangen kann.

 

Oberschlesische Kohle gegen polnische Lebensmittel.

Die Reichskohlenkommission hat sich bereit erklärt, eine größere Menge oberschlesischer Kohle zum Austausch gegen Lebensmittel aus den von Polen besetzen Gebieten der Provinzen Posen freizugeben. Es kommen 1000 Tonnen Kohle in Frage, wogegen sich die Lebensmittelzentrale in Posen verpflichtet hat, 300 Tonnen Kartoffel zu liefern. Mit weiteren Lieferungen ist zu rechnen. Die Kartoffeln sollen in erster Linie für oberschlesische Berg- und Hüttenarbeiter bestimmt sein.

 

Verteuerung der Auslandslebensmittel.

Die Ereignisse der letzten Tage, insbesondere die Tatsache der Ausrufung der Räterepublik Bayern und der Streik im Ruhrgebiet haben den Kursstand der deutschen Mark im Ausland weiter derartig verschlechtert, daß die unmittelbaren Folgen sich schon jetzt bei Festsetzung der Preise für die aus dem Ausland eingeführten Lebensmittel geltend machen.

Der Preis in Dollar oder Pfund Sterling, den wir für die Waren zu bezahlen haben, ist der gleiche geblieben. Oft sogar ist es unseren Unterhändlern gelungen, den Preis herabzudrücken, aber die erwähnten Umstände haben eben verursacht, daß wir nunmehr für das Pfund Sterling bezw. den Dollar einen höheren Betrag in Mark zu errichten haben, als es vor Eintreten dieser Ereignisse der Fall gewesen ist.

Soweit es jetzt übersehen werden kann, wird der Preis, zu welchem das Pfund amerikanischen Schmalzes an den deutschen Verbraucher abgegeben werden kann, nicht mehr, wie ursprünglich möglich gewesen, auf 4,50 Mark bis 5 Mark, sondern auf mindestens 6 Mark gesetzt werden müssen. In gleicher Weise steigerten sich die Preise für die übrigen Lebensmittel.

Es kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden, daß einzig und allein die unverantwortlichen spartakistischen und bolschewistischen Hetzereien die Schuld an dieser Verteuerung tragen und das die Verteuerung noch weiter andauern wird, wenn Streiks und Unruhen fortgesetzt werden.

50 Mark (1920)

Quelle:

Rhön-Zeitung vom 25. April 1919, Nr. 96

In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00172672/RhoenZ_1919-0345.tif

 

Bild:
https://de.wikipedia.org/wiki/Papiermark#/media/File:GER-68-Reichsbanknote-50_Mark_(1920).jpg

Glossar anzeigen
Ein Projekt des Weimarer Republik e.V. mit freundlicher Unterstützung

Glossar

Abkürzungs- und Siglenverzeichnis der verwendeten Literatur:

ADGBAllgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund
AEGAllgemeine Elektricitäts-Gesellschaft
AfA-BundGeneral Free Federation of Employees
AVUSAutomobil-Verkehrs- und Übungsstraße
BMWBayrische Motorenwerke
BRTBruttoregistertonne
BVPBayerische Volkspartei
CenterZentrumspartei
DAPDeutsche Arbeiterpartei
DDPDeutsche Demokratische Partei
DNTDeutsches Nationaltheater
DNVPDeutsch-Nationale Volkspartei
DVPDeutsche Volkspartei
KominternCommunist International
KPDKommunistische Partei Deutschlands
KVPKonservative Volkspartei
MSPDMehrheitssozialdemokratische Partei Deutschlands
NSNationalsozialismus
NSDAPNationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei; Nazipartei
NVNationalversammlung
O.C.Organization Consul
OHLOberste Heeresleitung
RMReichsmark
SASturmabteilung; Brownshirts
SPDSozialdemokratische Partei Deutschlands
SSSchutzstaffel
StGBPenal Code
UfAUniversum Film Aktiengesellschaft
USPDUnabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands
VKPDVereinigte Kommunistische Partei Deutschlands
ZentrumDeutsche Zentrumspartei
[AB]August Baudert: Sachsen-Weimars Ende. Historische Tatsachen aus sturmbewegter Zeit, Weimar 1923.
[AS]Axel Schildt: Die Republik von Weimar. Deutschland zwischen Kaiserreich und „Drittem Reich“ (1918-1933), hrsg. von der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, Erfurt 2009.
[BauerBauer, Kurt, Nationalsozialismus. Ursprünge, Anfänge, Aufstieg und Fall, u.a. Wien 2008.
[BihlBihl, Wolfdieter, Der Erste Weltkrieg 1914 - 1918. Chronik - Daten - Fakten, Wien 2010.
[BüttnerBüttner, Ursula, Weimar. Die überforderte Republik 1918-1933, Stuttgart 2008.
[DNV]Die Deutsche Nationalversammlung im Jahre 1919 in ihrer Arbeit für den Aufbau des neuen deutschen Volksstaates, hrsg. v. Ed.[uard] Heilfron, Bd. 1 bis 6, Berlin [1919].
[Ebert/Wienecke-JanzEbert, Johannes/Wienecke-Janz, Detlef, Die Chronik. Geschichte des 20. Jahrhunderts bis heute, Gütersloh/München 2006.
[EK]Eberhard Kolb: Die Weimarer Republik, 3. überarb. u. erw. Aufl., München 1993.
[EtzoldEtzold, Hans-Rüdiger, Der Käfer II. Die Käfer-Entwicklung von 1934 bis 1982 vom Urmodell zum Weltmeister, Stuttgart 1989.
[GG]Gitta Günther: Weimar-Chronik. Stadtgeschichte in Daten. Dritte Folge: März 1850 bis April 1945 (Weimarer Schriften, Heft 33), Weimar 1987.
[GrüttnerGrüttner, Michael, Das Dritte Reich 1933-1945 (= Bd. 19, Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte), Stuttgart 2014.
[HildebrandHildebrand, Klaus, Das Dritte Reich, 7. Aufl., München 2010.
[Kessler Tgbb]Harry Graf Kessler. Tagebücher 1918-1937, hrsg. von Wolfgang Pfeiffer-Belli, Frankfurt a. M und Leipzig 1996.
[KittelKittel, Erich, Novembersturz 1918. Bemerkungen zu einer vergleichenden Revolutionsgeschichte der deutschen Länder, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 104 (1968), S. 42-108.
[KolbKolb, Eberhard, Die Weimarer Republik, 7. durchges. und erw. Aufl., München 2010.
[NiedhartNiedhart, Gottfried, Die Außenpolitik der Weimarer Republik, 2. aktualisierte Aufl., München 2010.
[O/S]Manfred Overesch/ Friedrich Wilhelm Saal: Die Weimarer Republik. Eine Tageschronik der Politik, Wirtschaft, Kultur, Düsseldorf 1992.
[Overesch/SaalOveresch, Manfred/Saal, Friedrich Wilhelm, Die Weimarer Republik, Eine Tageschronik der Politik, Wissenschaft Kultur, Augsburg 1992.
[PeukertPeukert, Detlef, Die Weimarer Republik. Krisenjahre der Klassischen Moderne, Frankfurt a.M. 1987.
[PK]Paul Kaiser: Die Nationalversammlung 1919 und die Stadt Weimar (Weimarer Schriften, Heft 16), Weimar 1969.
[PM]Paul Messner: Das Deutsche Nationaltheater Weimar. Ein Abriß seiner Geschichte. Von den Anfängen bis Februar 1945 (Weimarer Schriften, Heft 17), Weimar 1985.
[ThHB]Thüringen-Handbuch. Territorium, Verfassung, Parlament, Regierung und Verwaltung in Thüringen 1920 bis 1995, hrsg. von Bernhard Post und Volker Wahl, Redaktion Dieter Marek (Veröffentlichungen aus Thüringischen Staatsarchiven, Bd. 1), Weimar 1999.
[TofahrnTofahrn, Klaus W., Chronologie des Dritten Reiches. Ereignisse, Personen, Begriffe, Darmstadt 2003.
[UB]Ursula Büttner: Weimar. Die überforderte Republik 1918-1933. Leistungen und Versagen in Staat, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur, Stuttgart 2008.
[VU]Volker Ullrich: Die Revolution von 1918/19, München 2009.
[WinklerWinkler, Heinrich-August, Weimar 1918-1933. Die Geschichte der Ersten deutschen Demokratie, München 1993.
[WirschingWirsching, Andreas, Die Weimarer Republik. Politik und Gesellschaft, 2. erw. Aufl., München 2010.

(zusammengestellt von Dr. Jens Riederer und Christine Rost, bearbeitet von Stephan Zänker)