Sächsischer Landtag mahnt zu Ruhe und Ordnung
Vor der Sächsischen Volkskammer wendet sich deren Präsident Julius Fräßdorf (MSPD) an die Abgeordneten und an das Volk insgesamt, wenn er eine entschiedene Bekämpfung des gewaltbereiten Radikalismus fordert. Die demokratische Regierung suche keine Gewalt, aber auf etwaige Räteexperimente wie in München werde man mit aller Entschlossenheit antworten.
Volltext:
Von Rußland verspricht man uns Hilfe und Nahrung. Ist das ein Unsinn oder ist es Methode?
(Zuruf: Methode!)
Von dort, wo die Menschen gleichfalls zu Tausenden aus Not zugrundegehen, Nahrung und Hilfe zu erwarten, ist ein wahrer Unsinn, wenn nicht Schlimmeres. Die Republik will man ausrufen, man kündigt auch an, daß man bei uns das in nächster Zeit tun werde und stellt in Frage, daß wir noch einmal zusammenkommen werden. Wenn die Räterepublik etwas Notwendiges, etwas Naturnotwendiges ist, dann wird sie nur durch das Volk, durch die Demokratie eingeführt werden. Wir müssen uns aber jedem Versuch, die Räterepublik durch die Diktatur der Minderheit einzuführen, mit aller Macht entgegenstellen,
(Sehr richtig! - Bravo!)
und das sollen vor allem auch die Arbeiter tun, die Arbeiter, die zu unsinnigen Streiks terrorisiert werden. Sie sollen auch wissen, daß ihnen noch Mittel und Wege zur Verfügung stehen, sich derer zu erwehren, die bei ihnen dieses ungewollte Mittel zur Anwendung bringen wollen. Wir sollen aber mit dieser Sache nicht erst abwarten, bis es zu spät ist, sondern jeden Versuch dazu unterdrücken. Hier hilft nur energisches Handeln. Eine Abwehr soll es sein, nicht eine Provokation unsererseits; in dieser Abwehr müssen alle Einwohner zusammenwirken,
(Sehr richtig!)
Arbeiter, Handwerker und Bürgertum; auch das Bürgertum muß sich darin einig sein.
(Sehr gut!)
Wir rufen nicht auf zu Gewalttätigkeiten gegen andere, aber wir rufen auf zur Abwehr,
(Bravo!)
und wenn man in die Werkstätten eindringt, dann wird es wohl noch Mittel geben, um die hinauszutreiben, die dort nichts zu suchen haben.
(Zuruf: Selbstverständlich, anders geht es nicht!)
Es ist hier vor einigen Tagen der Grundsatz proklamiert worden: Macht ist Recht! Jawohl, Macht ist Recht. Zunächst haben wir aber noch die Macht in den Händen, und deshalb ist es nicht nur unser Recht, sondern unser Pflicht, die Macht auch anzuwenden;
(Bravo!)
und ich möchte auch von dieser Stelle der Regierung sagen: sie soll, ehe es zu spät wird, die Macht des Staates anwenden, um das Schlimmste zu verhindern.
(Sehr richtig!)
Und wenn sie die Macht nicht zu haben glaubt, um den gegenwärtigen Gesetzen Geltung zu verschaffen, dann soll sie die Macht usurpieren, die dazu gehört, um das, was im Staat notwendig ist, auszuführen.
(Zuruf: Unerhört!)
Die Kammer wird nachträglich, davon bin ich überzeugt, die Regierung in ihren Maßnahmen decken. Die Macht ist aber auch ein Heilmittel gegen solche Delirien, wie wir sie heute in unserem Lande sehen. Im übrigen hat die Regierung auch Gelegenheit, sich, wenn nötig, die Macht zu verschaffen. Sie verhängt den Belagerungszustand, wo er notwendig ist, dann hat sie meines Erachtens die Macht.
(Zuruf: Sehr gut!)
Die Regierung kann sich - das möchte ich ausdrücklich sagen - nach dieser Richtung hin auf die Kammer verlassen, und die Arbeiter, Bürger und Bauern sollen sich nun endlich darüber klarwerden, daß wir uns diesen Zustand des furchtbaren Terrors nicht mehr gefallen lassen dürfen!
(Bravo!)
[...]
Nun, meine Herren, wir werden ja in dieser Zeit keine Erholung haben wegen der Zustände, die wir alle kennen, aber ich bin davon überzeugt, daß, wenn wir jetzt energisch uns an das Volk wenden, an alle Parteien, die ein Interesse daran haben, das Staatswohl, das Volkswohl zu fördern, dann wird auch Ruhe und Ordnung in unserem Lande eintreten.
Quelle:
Verhandlungen der Sächsischen Volkskammer im Jahre 1919, Bd. 2, 26. Sitzung, S. 985 f.
In: https://digital.slub-dresden.de/werkansicht/?id=5363&tx_dlf%5Bid%5D=16817&tx_dlf%5Bpage%5D=131