Hät' ich besser das Kleingedruckte gelesen
Dieser Brief Josef Bischoffs, der Kommandeurs der Eisernen Division, die als Freiwilligenverband im Baltikum gegen die Rote Armee kämpft, bringt ein zentrales Problem der damaligen Militärpolitik auf den Punkt. Wer kämpft für die Interessen der Republik und warum? Den "Baltikumern" wurde viel versprochen. Insbesondere das Angebot für die geleisteten Dienste mit Siedlungsland belohnt zu werden hat viele Freiwillige angelockt. Teil einer offiziellen Abmachung mit Lettland war dieser Punkt aber nie. Vielmehr waren dies nur mündliche Versprechungen von Anwerbern, die selbstverständlich keinen rechtlichen Anspruch mit sich bringen. Dennoch fühlen sich die mit falschen Behauptungen angelockten Männer verraten und entfremden sich nachhaltig von der Republik.
Volltext:
Eiserne Division, Mitau, den 24. August 1919
Die Lettische Regierung hat mit der Deutschen Regierung einen Vertrag abgeschlossen, der für die im Baltikum stehenden Truppen als Dank für ihre Kampfleistungen eine Reihe von Versprechungen enthielt.
Durch den Abschluß des Schmachfriedens hat die Deutsche Regierung diesen Vertrag annulliert. Sie hat aber damit auch die daraus entspringenden Verpflichtungen den Truppen gegenüber ihrerseits übernommen.
Wiederholt hat die Division, haben das Generalkommando des VI. Reservekorps und das Oberkommando Nord – zuletzt noch am 13. August das Oberkommando Nord – Anträge an das Kriegsministerium und die Reichsregierung gestellt, die den berechtigten Forderungen der Truppe Rechnung tragen.
Die Reichsregierung scheint aber nicht gewillt zu sein, den Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften, deren Aufopferung sie ihre Existenz verdankt, ihr Recht zu gewähren.
Ich betrachte es daher als meine Pflicht, gestützt auf die Wünsche der Truppe, diese Rechte der Truppe nunmehr selbst zu wahren. Ich werde mich mit meiner ganzen Person für ihre Erfüllung einsetzen. Daher habe ich den Abtransport der Division nach Deutschland verboten. Ich bin mir der Verantwortung voll bewußt, die ich damit auf mich nehme. Ich betone:
Mein Schritt richtet sich nicht gegen die Regierung, ich will keine Gegenrevolution machen. Ich werde aber dafür sorgen, daß meine Truppen das zuteil wird, was man ihnen versprochen hat und was sie – weiß der Himmel – verdient haben.
Ich verlange daher für folgende Punkte bindende Zusicherungen der Reichsregierung:
- Die Offenhaltung von mindestens 30 Prozent der Offizier-, Unteroffizier- und Mannschaftsstellen in den in Frage kommenden, neu zu bildenden endgültigen Reichswehrbrigaden der Heimat.
- Dasselbe in den aufzustellenden Polizei-, Sicherheits- und Bürgerwehren.
- Bestehenbleiben der Division in ihrer jetzigen Gestalt bis zur endgültigen Versorgung ihrer Angehörigen, mindestens aber auf die Dauer von drei Monaten, vom 1. Oktober ab gerechnet, mit voller Besoldung und Versorgung nach den Reichswehrgebührnissen.
- Unterbringung der Division in einem geschlossenen Unterkunftsraum an der ostpreußisch-litauischen Grenze als Grenzschutz.
- Einlösung des Siedlungsversprechens in Deutschland.
- Niederschlagung der gegen die Grenzschutztruppen im Gange befindlichen Boykottbewegung in den Gewerkschaften und Betrieben und der Pressehetze in den linksstehenden Blättern.
- Zusicherung vollkommener Straflosigkeit für alle Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften der Division, die lediglich auf meinen Befehl handeln, einen Befehl, für den ich volle Verantwortung übernehme.
- Kontrolle der Ausführung dieser Bedingungen durch Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften aus den Reihen der Eisernen Division.
Quelle:
Ursachen und Folgen, Bd. 3, S. 549 f.
Bild:
https://de.wikipedia.org/wiki/Eiserne_Division#/media/Datei:Bischoff_Kopie.jpg