Ludendorff der Friedensfürst
Erich Ludendorff war spätestens ab 1916 der Kopf hinter der deutschen Kriegsplanung. In dieser Rolle trug er mit seinen Kriegszielvorstellungen wesentlich zur Weiterführung des Krieges bei, obwohl der Reichstag bereits 1917 die Aufnahme von Friedensverhandlungen gefordert hatte. Die Gründe Ludendorffs zur Weiterführung des Krieges, die in eklatantem Gegensatz zum Selbstbestimmungsrecht der Völker stehen, macht sich die Greifenhagener Kreiszeitung zu eigen, die anerkennend die Kriegserinnerungen des nunmehr Ex-Generals wiedergibt. In der Weimarer Republik wurde Ludendorff zu einer zentralen Figur der extremen Rechten.
Volltext:
Die Kriegsziele der O.H.L. 1917.
Aus Ludendorffs Kriegserinnerungen.
An einer anderen Stelle seines Buches [Meine Kriegserinnerungen, Anm.] bespricht Ludendorff eingehend die von der O.H.L. 1917 aufgestellten Kriegsziele. Er zählt bei der Gelegenheit auf eine Fühlungnahme von Hugo Stinnes mit dem japanischen Gesandten in Stockholm, die Hoffnungen Kühlmanns auf eine Annäherung an England und einen Versuch des Legationsrats v. Lancken, mit Frankreich in Verbindung zu treten, auf.
Rußlands Niedergang.
In dem Zusammenbruch Rußlands 1917 erblickte Ludendorff eine Besserung unserer militärischen Lage, sagt aber nichtsdestoweniger:
"Trotzdem bin ich auf der Ansicht, daß ein Frieden für uns vor Beginn des Winters erstrebenswert ist, wenn er uns das Nötigste bringt, was wir zur Sicherstellung unserer späteren wirtschaftlichen Entwicklung bedürfen, und uns in eine wirtschaftliche und militärische Lage versetzt, die uns einem neuen Verteidigungskrieg mit Ruhe ins Auge sehen läßt."
Eingehend bespricht Ludendorff dann die Folgen, die engetreten wären, wenn der Feind deutsches Gebiet auf längere Zeit in seine Gewalt bekommen hätte.
Militärische und wirtschaftliche Vorteile.
In bezug auf unsere militärisch höchst ungünstigen Grenzen war Ludendorff bereit, sich mit dem Notwendigsten zu bescheiden und sagt: "Belgien darf nicht feindliches Aufmarschgebiet werden. Die Neutralität dieses Landes hielt ich für ein Phantom, mit dem nicht praktisch zu rechnen sei. Es mußte in wirtschaftliche Interessengemeinschaft mit Deutschland kommen, mit dem es so starke handelspolitische Beziehungen verbanden. Es sollte ein eigener, selbstständiger Staat bleiben, in dem auch die Flamen zu ihrem Rechte kamen. Die Vergewaltigung dieses alten germanischen Stammes ist auch eine der Ungeheuerlichkeiten der Menschheitsgeschichte. Für die ersten Jahre hielt ich in Belgien ein gewisses deutsches Okkupationsrecht für nötig. Die Maas bei Lüttich durfte, wenn überhaupt, erst dann aufgegeben werden, wenn Belgien seinen wirtschaftlichen Anschluß an Deutschland vollzogen hatte und, seinen eigenen Interessen folgend, auf seiten Deutschlands stand. Von dem Gedanken der
deutschen Marinestützpunkte an der flandrischen Küste
war ich kein Freund. Er war nicht durchdacht und militärisch unklar. Ich schrieb darüber: "Ganz sicher, d.h. in bezug auf den Schutz des niederrheinisch-westfälischen Industriegebietes, wären wir erst, namentlich wenn der Tunnelbau Dover-Calais Wirklichkeit wird, wenn wir ganz Belgien militärisch besetzen und an der flandrischen Küste ständen. Dies können wir zurzeit nicht erreichen. Es fragt sich, ob wir um dieses Ziel den Krieg fortsetzen müssen. Das ist meines Erachtens der Fall, wenn die Engländer einen Gebietsstreifen in Frankreich (Calais) behalten. Tun sie das nicht, so wäre der Besitz der flandrischen Küste für uns kein Grund zur Fortsetzung des Krieges über den Winter hinaus."
Die deutsch-russische Grenze.
Auch diese Frage behandelt Ludendorff eingehend. Namentlich für das schwergeprüfte Ostpreußen verlangt er einen Schutzstreifen. Über die weitere Grenzsicherung ist er folgender Ansicht: "Der weit gegen Westen nach Preußen hineinspringende Bogen Polens hatte sehr erhebliche militärische Nachteile für die Verteidigung des Vaterlandes im Gefolge. Ihre ganze Schärfe war gleichfalls im Jahre 1914 in Erscheinung getreten, als der Großfürst Nikolai Nikolajewitsch daselbst seinen großen Stoß gegen die preußische Grenze führte. Diese Nachteile durch territorialen Gewinn in vollem Umfange auszugleichen, erschien unmöglich. Dagegen waren eine Verbreiterung der schmalen Einschnürung zwischen Danzig und Thorn nach Süden zu und der Schutzstreifen des oberschlesischen Kohlereviers strategisch notwendig. Die Grenzverhältnisse wurden durch den erstrebten Anschluß Kurlands und Litauens nicht günstiger."
Deutschlands volkswirtschaftliche Stellung.
Für Deutschlands weltwirtschaftliche Stellung - schreibt der General weiter - dachte ich für den Frieden an handelspolitische Vorteile in Rumänien und der Balkan-Halbinsel, und vor allem an die Rückgabe unserer Kolonien oder ihr Zusammenlegen zu einem geschlossenen Kolonialbesitz. Den mitteleuropäischen Wirtschaftsbund lehnte ich ab. Er erschien mir nicht durchführbar, da er eine zu starke Vormachtstellung Deutschlands in sich schloß. Auf Kriegskontributionen habe ich nie ernstlich gehofft. Meine Anschauungen über den Frieden haben nie als Grundlage für irgendwelche Gespräche mit dem Feinde gedient, da die Regierung nie soweit gelangte. In den ersten Brester Verhandlungen und in Bukarest ging später die Regierung ihre eigenen, von den meinen abweichende Wege.
Quelle:
Greifenhagener Kreiszeitung Nr. 98 vom 23.8.1919
In: http://zefys.staatsbibliothek-berlin.de/kalender/auswahl/date/1919-08-23/26824255/
Bild:
https://de.wikipedia.org/wiki/Erich_Ludendorff#/media/Datei:Hindenburg-ludendorff.jpg