Bildung einer freiwilligen Volkswehr
Auch in Sachen Heeresreform blieb der Rat der Volksbeauftragten nicht untätig. Das hier vorliegende Gesetz zur Bildung einer freiwilligen Volkswehr orientierte sich nicht nur dem Namen nach an einer Initative der österreichischen Sozialdemokraten. Schlagkräftige Realität wurde die Volkswehr jedoch nie. Zu groß waren die Kompetenzstreitigkeiten innerhalb und zwischen dem Rat der Volksbeauftragten, dem Preußischen Kriegsministerium und dem Vollzugsrat der A&S-Räte, die alle einen alleinigen Anspruch auf die Kommandogewalt stellten. Das Ergebnis war eine Zersplitterung des Gewaltmonopols und eine unübschaubare Vielzahl an Truppenkörpern, deren Konkurrenzkämpfe um Geld und weitere Ressourcen schnell und blutig eskalieren sollten.
Volltext:
Gesetz zur Bildung einer freiwilligen Volkswehr
1. Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ist eine freiwillige Volkswehr zu bilden.
2. Die Vollmachten zur Aufstellung der Abteilungen dieser Volkswehr erteilt ausschließlich der Rat der Volksbeauftragten, der auch Zahl und Stärke der Abteilungen festsetzt.
3. Die Volkswehr untersteht ausschließlich dem Rat der Volksbeauftragten. Sie verpflichtet sich der sozialistisch-demokratischen Republik durch Handschlag.
4. In die Volkswehr werden nur Freiwillige aufgenommen. Sie wird außerhalb des Rahmens des Heeres stehen. Gerichtliche und Disziplinarverhältnisse werden noch geregelt.
5. Die Freiwilligen wählen ihre Führer selbst, und zwar etwa hundert Freiwillige (Hundertschaft) einen Führer und drei Zugführer; mehrere Hundertschaften bilden eine Abteilung und wählen den Abteilungsführer und einen Stab. Ihm steht ein Vertrauensrat von fünf Freiwilligen beratend zur Seite.
6. Jeder Freiwillige ist im Dienste zum Gehorsam gegenüber seinen selbstgewählten Führern verpflichtet.
7. Für die Annahme der Freiwilligen ist Vorbedingung a) in der Regel Zurücklegung des vierundzwanzigsten Lebensjahrs, b) körperliche Rüstigkeit, c) längerer einwandfreier Frontdienst.
8. Die Freiwilligen haben zunächst eine Probezeit von 21 Tagen zu leisten. Wird eine Geeignetheit festgestellt, so sind sie zunächst auf sechs Monate zu verpflichten. Die Verpflichtung kann nach Ablauf dieser Zeit von drei zu drei Monaten verlängert werden. Frühere Lösung des Dienstverhältnisses ist bei schwerer Verletzung der durch dasselbe begründeten Pflichten zulässig; sie erfolgt durch den Abteilungsführer unter Zustimmung des Vertrauensrats.
9. Die Freiwilligen sind wie Mannschaften des Soldatenstandes zu bekleiden, auszurüsten, zu bewaffnen und unterzubringen. Wege besonderer Bekleidung und Abzeichen bleibt Bestimmung vorbehalten. Gebührnisse und Versorgungsansprüche werden noch festgesetzt. Früher erworbene Versorgungsansprüche bleiben bestehen.
10. Das Preußische Kriegsministerium hat mit Zustimmung des Rates der Volksbeauftragten die erforderlichen Ausführungsbestimmungen zu erlassen.
Berlin, den 12. Dezember 1918
Der Rat der Volksbeauftragten: Ebert, Haase.
Quelle:
Ursache und Folgen, Bd. 3, S. 506f.
Bild:
https://de.wikipedia.org/wiki/Hugo_Haase#/media/File:B-Friedrichsfelde_Zentralfriedhof_03-2015_img12_Hugo_Haase.jpg