MSPD verspricht: Unser Banner steht für den Kampf gegen jede Form der Unterdrückung
Die Wahlen zur Nationalversammlung sind beschlossene Sache. Die Parteien formieren sich dementsprechend und treten im Laufe des Dezember mit ihren Wahlversprechen an die Öffentlichkeit. Für die MSPD verkündet Friedrich Ebert, dass man am Erfurter Parteiprogramm festhalten werde. Keineswegs dürfe die neue Machtposition der Arbeiterschaft dazu genutzt werden, seinerseits eine neue „Klassenherrschaft“ zu errichten. Freiheit, Demokratie und Sozialismus – Werte wie sie die MSPD vertrete – würden alle Menschen ohne Unterschied ihrer Klasse, ihres Geschlechts oder Abstammung von dem aktuellen Elend erlösen.
Volltext:
[Friedrich Ebert auf einer Parteiversammlung in Berlin:]
Das Erfurter Programm der Partei [von 1891, Anm.] sagt:
„Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands kämpft nicht für neue Klassenprivilegien und Vorrechte, sondern für Abschaffung der Klassenherrschaft und der Klassen selbst, und für gleiche Rechte und gleiche Pflichten aller ohne Unterschied des Geschlechts und der Abstammung. Von diesen Anschauungen ausgehend bekämpft sie in der heutigen Gesellschaft nicht bloß die Ausbeutung und Unterdrückung der Lohnarbeiter, sondern jede Art der Ausbeutung und Unterdrückung, richte sie sich gegen eine Klasse, eine Partei, ein Geschlecht oder eine Rasse.“
Für diese Grundsätze hat die deutsche Sozialdemokratie 50 Jahre gekämpft. Dazu muß sie auch heute stehen, wenn sie sich nicht selbst untreu werden will. Sie kämpft nicht nur den Klassenkampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung der Lohnarbeiter, sondern auch den großen idealen Menschheitskampf gegen jede Art der Ausbeutung und Unterdrückung. Unter diesem Zeichen sind wir bisher siegreich vorgedrungen, unter diesem Panier werden wir auch den großen Wahlkampf zur Konstituante führen und wir werden siegen. Die konstituierende Versammlung wird die deutsche Nation, die jetzt auseinanderzufallen droht, wieder fest zusammenfassen. Keine Macht der Welt ist stark genug, die auf der Einheit des deutschen Wirtschaftslebens beruhende politische Einheit der deutschen Stämme dauernd zu entzweien, oder die Stämme gegeneinander auszuspielen. Alle sind wirtschaftlich untrennbar miteinander verbunden. Für die Arbeiterschaft wäre nichts verhängnisvoller, als der Rückfall in mittelalterliche Kleinstaaterei mit ihrer naturgemäßen wirtschaftlichen Rückständigkeit und politischen Krähwinkelei. Nicht Separatismus, sondern energische einheitliche Zusammenfassung aller schaffenden Kräfte des ganzen Volkes zu tatkräftiger Arbeit ist das Gebot der Stunde. Was auch kommen mag, kein Volk ist verloren, das sich nicht selbst aufgibt. Hier liegt die grundlegende Aufgabe der Nationalversammlung […]
In grundsätzlichem sozialistischen Geiste wollen wir Gebiete des Wirtschaftslebens vergesellschaften, die dazu reif sind. Das soll nach wohlüberlegter wissenschaftlicher Einsicht unter Mitwirkung der Praktiker auf großangelegter zentraler Basis geschehen. Der Sozialismus ist nicht Selbstzweck, auch er ist nur ein Mittel, Freiheit, Glück und Wohlstand des Volkes zu erhöhen. Nur dort, wo die sozialistische Wirtschaftsweise höhere Erträge bringt, dem Volke weniger Arbeitslast auferlegt, und mehr Möglichkeiten des Verbrauchs und der Freude eröffnet, ist der Sozialismus am Platze, nur dort kann er sich dauernd behaupten […]
Um die sozialen Erfolge der Revolution brauchen die Arbeiter nicht besorgt zu sein. Der Kapitalprofit wird scharf gefaßt werden, möglichst völlige Beseitigung des arbeitslosen Einkommens erstreben wir, die Kriegsgewinne müssen möglichst restlos eingezogen, die Erbschaftssteuer verschärft und das Erbrecht der Republik geschaffen werden. Die deutschen Arbeiter mögen nach Rußland sehen und sich warnen lassen! Das hochentwickelte Wirtschaftsleben Deutschlands kann auf die Dauer nicht mit Maschinengewehren und Brownings vergewaltigt werden. Wir wollen ein dauerhaftes, innerlich gesundes Werk schaffen, das eine gesicherte Entwicklung der Wirtschaft und ein kräftiges Volksleben ermöglicht.
Freiheit in Wort und Schrift, gleiches Recht für alle, das sind und bleiben unsere Grundlagen. Beseitigung jeder Unterdrückung und Ausbeutung bleibt unverrückbar unser Ziel. Jetzt gilt es, das deutsche Volk nicht in Hunger und Unordnung untergehen zu lassen. Was uns für die Zukunft vor Augen steht, ist ein freies, gesundes, frohes Volk, das keine Schmerzen, kein Elend mehr kennt. Wer das gleiche will, kämpfe mit uns gegen jede Gewaltpolitik, von wem sie auch komme, für Freiheit, Demokratie und Sozialismus, für volle Befreiung des ganzen Menschengeschlechts.
Quellen:
Vorwärts Nr. 331 / Jg. 35 vom 2.12.1918
In: http://fes.imageware.de/fes/web/
Bild:
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Ebert#/media/File:Bundesarchiv_Bild_102-00015,_Friedrich_Ebert.jpg