Schart euch um das Banner der Deutschen Volkspartei!
Nach der relativ spät erfolgten Parteigründung der rechtsliberalen Deutschen Volkspartei am 15. Dezember trat die Parteileitung mit folgender Aufforderung an die Öffentlichkeit. Revolutionär ist u.a. das Bekenntnis der DVP zum Frauenwahlrecht. Nur wenige Wochen zuvor (im Oktober) waren die Nationalliberalen Frauen mit einer entsprechenden Forderung gegenüber der Parteimehrheit noch auf taube Ohren gestoßen. Nun will und kann man auf weibliche Wählerstimmen nicht verzichten.
Während die DVP aus ihrer Sicht übermäßige Forderung nach einer Neuregelung des Privateigentums (so die USPD) oder des Erbrechtes (so die MSPD) entschieden zurückweist, überrascht das Entgegenkommen in der Sozialisierungsfrage. Wo hierdurch die Erträge erhöht und das Wohlergehen der Arbeitnehmer verbessert würde, sei man bereit Verstaatlichungen mitzutragen.
Volltext:
Krieg und Umsturz haben Staatsverfassung und Parteiformen gesprengt, neue Staatsgebilde treten auf. Wir bekennen uns zu einer nationalen und wahrhaft demokratischen Politik. Alle Gleichgesinnten fordern wir auf, sich mit uns um das Banner der Deutschen Volkspartei zu scharen. […]
Wir bekennen uns zu dem demokratischen, allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlrecht nach der Verhältniswahl für beide Geschlechter.
Wir verlangen völlige Neuordnung des Auswärtigen Amtes und unserer ausländischen Vertretungen, ein Volksheer, umgestaltet nach den Erfahrungen des Krieges, aufgebaut auf den Grundsätzen: Gerechtigkeit, Manneszucht, Kameradschaft. Sicherung der Freiheit für Wort und Schrift, für Verein und Versammlung, der Unabhängigkeit der Gerichte. Weiteste Selbstverwaltung auf demokratischer Grundlage in Gemeinde, Kreis und Provinz. Volle Gleichberechtigung aller deutschen Bürger auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens ohne Rücksicht auf Herkunft, Konfession und bürgerliche Stellung. Erhaltung und Kräftigung eines breiten Mittelstandes in Industrie, Handel und Handwerk, umfassende Fürsorgeeinrichtungen für den Mittelstand. Warmherzige Fürsorge und würdige Versorgung der Kriegsbeschädigten und Hinterbliebenen der Kriegsteilnehmer durch das Reich auf Grund reichsgesetzlich gewährleisteten Anspruchs. Sicherung der Stellung der Beamten, Offiziere und Lehrer, materiell und rechtlich. Anerkennung ihrer Organisationsfreiheit, Errichtung von Beamtenausschüssen.
Wir treten ein für Kräftigung und Mehrung der freien Bauern auf eigener Scholle, wir treten ein für die im Interesse der Volksernährung unbedingt notwendige Erhaltung und Förderung einer leistungsfähigen Landwirtschaft, für eine großzügige Siedlungspolitik; Domänen, Großgrundbesitz, Fideikommisse sind hierbei in ausgiebiger Weise heranzuziehen. Der soziale Aufstieg des Landarbeiters, die Möglichkeit für ihn, zu Eigenbesitz zu gelangen, ist weitgehend zu erleichtern. […]
Wir halten fest an dem Grundsatze des Privateigentums und des Erbrechts, wir halten fest an der leitenden Stellung des Unternehmers in seinem Betrieb wie in der Volkswirtschaft, jedoch unter angemessener Mitwirkung der Arbeiter und Angestellten durch ihre Ausschüsse und ihre Vertretung. Wir stellen uns in bewußten Gegensatz zu denjenigen, welche in einer Vergesellschaftung aller Produktionsmittel und in der Aufhebung des Privateigentums ihr politisches und wirtschaftliches Ziel sehen. Einer Überführung dazu geeigneter Betriebszweige in die Leitung und das Eigentum der öffentlichen Gewalt sind wir bereit zuzustimmen, sofern dadurch für die Allgemeinheit ein höherer Ertrag und für die Arbeitnehmer bessere Lebensbedingungen geschaffen werden. […]
Von der derzeitigen Regierung verlangen wir, daß sie endlich energisch für Ruhe und Ordnung sorgt. Wir sind bereit, dafür unter der jetzigen Regierungsform mitzuarbeiten und alle Bestrebungen der tatsächlichen Regierung nach diesem Ziele zu unterstützen. Wir verlangen aber die Beseitigung der Eingriffe unbefugter Personen in die Tätigkeit der Gerichte, Behörden und Kommunalverwaltungen, in die Koalitions- und Preßfreiheit. Wir verlangen die Beseitigung der Mißwirtschaft und maßlosen Verschleuderung öffentichen Gutes und öffentlicher Gelder, wir verlangen die Beseitigung der unverantwortlichen Eingriffe in das Wirtschaftsleben, die uns mit Hungersnot, Anarchie und Staatsbankrott bedrohen.
Wir fordern die Sicherstellung der Staats- und Kriegsanleihen, der Sparkasseneinlagen, Bankdepositen und der gewährleisteten Pensions- und Rentenbezüge. […]
Wir verlangen, daß die jetzige Regierung alles daran setzt, fortan den Frieden zu erhalten, damit der Neuaufbau des Deutschen Reiches und der deutschen Wirtschaft schleunigst in Angriff genommen werden kann. Alle diejenigen, welche bereit sind, nach diesen Grundsätzen und diesen Zielen mit uns zusammen zu arbeiten und sich mit uns zur Deutschen Volkspartei zu vereinigen, rufen wir zur Mitarbeit auf; unsere Aufforderung ergeht insbesondere auch an die deutschen Frauen und an die deutsche Jugend, die nun in den Kreis der politisch Vollberechtigten eingetreten sind. […]
Quelle:
Ursachen und Folgen, Bd. 3, S. 184f.
Bild:
https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Volkspartei#/media/File:Bundesarchiv_Bild_146-1989-040-27,_Gustav_Stresemann.jpg