Weihnachtskämpfe im Pfeilersaal des Berliner Schlosses (© BArch, Bild 146-1976-067-30A / o.Ang.)

Volltext:

Im Verlauf der stürmischen Ereignisse, die sich gestern in Berlin abspielten, erschienen gegen 8 Uhr abends bewaffnete Matrosen mit einem Panzerauto vor unserem Redaktionsgebäude. Die republikanische Soldatenwache ließ nur eine Abordnung durch, die, von republikanischen Soldaten geleitet in die Redaktionsräume kam und erklärte, es werde nicht geduldet werden, daß der „Vorwärts“ „Hetzartikel im Sinne des Wels“ veröffentliche. Genosse Stampfer erwiderte, die Redaktion werde nur so schreiben, wie es ihrer Ueberzeugung entspreche. Die Matrosen entfernten sich sodann mit der Ankündigung, sie wollten in der Nacht wiederkommen, um den Inhalt des Blattes zu zensieren.

            Wir erklären hiermit öffentlich: Der „Vorwärts“ ist das Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Er wird unter Kontrolle des Parteivorstandes und seiner Preßkommission weiter ohne jede Rücksicht das vertreten, was er im Interesse der Arbeiterklasse zu vertreten für richtig hält. Er hat das unter dem seligen Oberkommando getan und hat sich dafür ein halb dutzendmal verbieten lassen, er wird das auch weiter tun.

            Die Arbeiter Berlins haben ein Recht zu verlangen, daß der „Vorwärts“ ihnen das sagt, was er für war und richtig hält und daß ihm die Möglichkeit dazu nicht gewaltsam gesperrt wird. Daß sie dieses Recht auch durchzusetzen imstande sein werden, daß sie das Recht der Meinungsfreiheit nach allen Seiten hin schützen werden, darum ist uns nicht bange!

Die Redaktion des „Vorwärts“.

Quelle:

Vorwärts vom 24. Dezember 1918, 35:353 (1918), Morgenausgabe, S. 1.

In: http://fes.imageware.de/fes/web/

Bild:
https://de.wikipedia.org/wiki/Weihnachtsk%C3%A4mpfe#/media/File:Bundesarchiv_Bild_146-1976-067-30A,_Revolution_in_Berlin,_Soldaten_im_Kampf.jpg