Die Entlassung Eichhorns
Die Absetzung Emil Eichhorns als Polizeipräsident durch die MSPD-Regierung am 4. Januar 1919 hatte weitreichende Folgen. Im Vergleich mit Spartakus reagierte die Freiheit jedoch relativ moderat. Man werde massenhaften Protest organisieren, aber von Gewaltmassnahmen will das USPD-Blatt nichts wissen und fordert von der MSPD das Gleiche. Eine Wiederholung der Weihnachtskämpfe müsse vermieden werden.
Volltext:
Die Entlassung des Polizeipräsidenten Eichhorn hat zu einem schweren Konflikt geführt. Die Regierung Ebert-Scheidemann hat wenig Voraussicht bewiesen, indem sie, pochend auf ihre vermeintliche Allmacht, den Mann kurzerhand entlassen hat, den die revolutionären Arbeiter Berlins als einen ihrer Vertrauensmänner betrachten.
Eichhorn hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß er sein Amt nicht von der Regierung, sondern von der revolutionären Arbeiterschaft empfangen hat und es nur in ihre Hand zurücklegen wird, sobald sie es fordert. Die Arbeiterschaft Berlins aber will Eichhorn nicht fallen lassen. Sie fordert sein Bleiben. Denn sie sieht in der Besetzung des Berliner Polizeipräsidiums mit einem ihrer Vertrauensmänner eine wichtige Machtposition der sozialistischen Revolution, die sie nicht kampflos räumen will. Sie hat kein Vertrauen zu der Regierung Ebert-Scheidemann und kein Vertrauen zu dem Manne, der aus ihren Händen das Präsidium empfangen soll. Von diesem Willen hat die große Demonstration Zeugnis abgelegt, die heute Berlin ihren Stempel aufgedrückt. Trotzdem die Vorbereitungen nur ganz unvollkommen sein konnten, haben Tausende und Tausende dem Rufe Folge geleistet und gegen die Entlassung Eichhorns Protest erhoben.
Was nun? Die Berliner revolutionären Arbeiter wollen die Entlassung Eichhorns nicht. Eichhorn ist in seinem Amt geblieben. Will die Regierung Ebert-Scheidemann aufs neue es mit Gewalt versuchen wie am 24. Dezember gegen die Matrosen? Die Folgen müßten noch schlimmer und weittragender werden als damals. Damals hatte sie sich selbst zu Verhandlungen genötigt gesehen. Jetzt ist die Situation noch weit ernster. Damals befanden sich in der Regierung noch Männer, die auch das Vertrauen der Berliner Arbeiterschaft genossen. Die sind seitdem ausgeschieden. Die Folgen zeigen sich bereits heute.
Die Regierung Ebert-Scheidemann mag heute noch glauben, sich auf die Gewalt stützen zu können. Sie wird sich täuschen. Sie hat sich im Vertrauen auf ein paar Wahlergebnisse eingebildet, daß sie auf die Stimmung der Berliner revolutionären Massen keine Rücksicht zu nehmen braucht, und so eine Lage geschaffen, die voll ernstester Schwierigkeiten ist.
Beharrt sie auf diesem Wege, vertieft sie den Gegensatz zu den revolutionären Massen noch weiter, so beschwört sie unendliches Unglück herauf und ruft alle revolutionären Kräfte der Berliner Arbeiterschaft gegen sich auf.
Quelle:
Die Freiheit vom 06. Januar 1919, 9:2 (1919), Morgen-Ausgabe, S. 1.
Bild:
https://de.wikipedia.org/wiki/Emil_Eichhorn#/media/File:EichhornEmil.jpg