MSPD: "Die Stunde der Abrechnung naht!"
In ihrem Aufruf an die Berliner Bevölkerung wendet sich die MSPD-Regierung direkt an ihre Unterstützer. Sollte sich Spartakus durchsetzen stünde die demokratische Entwicklung auf dem Spiel und eine Schreckensherrschaft ohne Freiheit, Strom und Brot werde drohen. Jetzt gelte es daher die Gewalt mit der organisierten Gegengewalt des Volkes zu bekämpfen.
Volltext:
Mitbürger!
Spartakus kämpft jetzt um die ganze Macht. Die Regierung, die binnen zehn Tagen die freie Entscheidung des Volkes über sein eigenes Schicksal herbeiführen will, soll mit Gewalt gestürzt werden. Das Volk soll nicht sprechen dürfen. Seine Stimme soll unterdrückt werden. Die Erfolge habt ihr gesehen. Wo Spartakus herrscht, ist jede persönliche Freiheit und Sicherheit aufgehoben. Die Presse ist unterdrückt, der Verkehr lahmgelegt. Teile Berlins sind die Stätte blutiger Kämpfe, andere sind schon ohne Wasser und Licht. Proviantämter werden gestürmt, die Ernährung der Soldaten- und Zivilbevölkerung wird unterbunden.
Die Regierung trifft alle notwendigen Maßnahmen, um die Schreckensherrschaft zu zertrümmern und ihre Wiederkehr ein für allemal zu verhindern. Entscheidende Handlungen werden nicht mehr lange auf sich warten lassen. Es muß aber gründliche Arbeit getan werden, und die bedarf der Vorbereitung: Habt nur noch kurze Zeit Geduld. Seid zuversichtlich, wie wir es sind, und nehmt euren Platz entschlossen bei denen, die euch Freiheit und Ordnung bringen werden. Gewalt kann nur mit Gewalt bekämpft werden. Die organisierte Gewalt des Volkes wird der Unterdrückung und der Anarchie ein Ende machen. Einzelerfolge der Feinde der Freiheit, die von ihnen in lächerlicher Weise aufgebauscht werden, sind nur von vorübergehender Bedeutung. Die Stunde der Abrechnung naht!
Berlin, 8. Januar 1919.
Die Reichsregierung:
Ebert. Scheidemann. Landsberg. Noske.
Quelle:
Ursachen und Folgen, Bd. 3, S. 67
Bild:
https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Landsberg#/media/File:LandsbergOtto.jpg