Bringt uns keine Seuchen ins Haus!
Die nationalistische Greifenhagener Kreiszeitung bringt auf ihrer Titelseite eine schon etwas ältere Verordnung über Gegenmaßnahmen zur Eindämmung der Seuchengefahr. Besonders Arbeitsmigranten aus dem Osten würden demnach Läuse und Infektionskrankheiten verbreiten. Eine rassistische und antisemitische Dimension gewinnt die Maßnahme durch die Behauptung, dass polnischen Juden prinzipiell mehr Krankheiten verbreiten würden, als slawische Osteuropäer. Angesichts der allgemein schlechten Gesundheitsverhältnisse in den Kriegsgebieten Osteuropas erscheint diese Annahme sehr fragwürdig.
Volltext:
Bekanntmachung. Infolge des Friedensschlusses mit Rußland und der Ukraine werden zahlreiche Arbeiter aus bisher russischen Gebietsteilen in nächster Zeit nach Deutschland eingeführt werden. Da in jenen Gebieten das Fleckfieber stark verbreitet ist, so wächst damit die Gefahr einer Einschleppung dieser gefährlichen Seuche. Um dem nach Möglichkeit vorzubeugen, soll von der Einführung polnischer Juden künftig ganz abgesehen werden, da unter diesen das Fleckfieber ganz besonders stark herrscht, auch wird ein Teil der ausländischen Arbeiter einer 17tägigen ärztlichen Beobachtung und Sanierung (Entlausung) in den für sie bestimmten Sammelstellen der Deutschen Arbeiter-Zentrale unterworfen. Für die aus Polen einzuführenden Arbeiter ist aber nach wie vor nur die Sanierung an der Grenze durchführbar.
Ich weise deshalb erneut darauf hin, daß das eigenste Interesse der Arbeitgeber es dringend erheischt, daß alle ausländischen Arbeiter entsprechend meinem Erlaß vom 15. April 1915 - M. 10912 - alsbald nach ihrer Ankunft ärztlich untersucht, und soweit nötig, geimpft und entlaust werden. Auch ist es wichtig, daß darauf geachtet wird, daß die Arbeiter dauernd läusefrei bleiben, da in einer Gruppe verlauster Arbeiter das Fleckfieber schnell große Verbreitung finden kann, während unter läusefreien Arbeitern seine Einschleppung entweder überhaupt keinen Schaden anrichtet oder höchstens zu ganz wenigen Erkrankungen führt. Noch jüngst hat der Ausbruch von Fleckfieberepidemien unter den verlausten russischen bezw. polnischen Arbeitern in einigen landwirtschaftlichen und industriellen Betrieben zu schweren Schädigungen dieser Betriebe durch lange dauernden Ausfall zahlreicher Arbeitskräfte und mehrfache Todesopfer unter den leitenden deutschen Persönlichkeiten geführt.
Ich ersuche daher, die Arbeitgeber des dortigen Bezirks, in deren Betrieben ausländische Arbeiter aus dem Osten Beschäftigung finden, durch die nachgeordneten Polizeibehörden auf die drohende Gefahr und die Notwenigkeit peinlicher Beobachtung der oben erwähnten Abwehrmaßregel hinzuweisen.
Berlin, den 20. April 1918
Der Minister des Innern. gez. Drews
An sämtliche Herren Regierungspräsidenten pp.
Quelle:
Greifenhagener Kreiszeitung Nr. 82 vom 17.7.1919
In: http://zefys.staatsbibliothek-berlin.de/kalender/auswahl/date/1919-07-17/26824255/
Bild:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/15/Pediculus_humanus_capitis.png