Der Krieg ist tot - es lebe der Krieg
Die DAZ berichtet unter diesem Titel über die Heerespolitik der östlichen Nachbarn Deutschlands. Dass dort mehrere Jahrgänge eingezogen werden, ist für das Blatt ein Alarmsignal. Tatsächlich kann der Versailler Vertrag keinen dauerhaften Frieden stiften und schon bald brechen im Osten neue Grenzkriege aus. Die Deutschen, die in Provinzen leben, in denen bald über die Zugehörigkeit zu Polen abgestimmt werden soll, werden von solchen Aussichten natürlich abgeschreckt. Schlimmstenfalls müssten ihre Söhne für Polen in den Krieg ziehen: Gegen Deutschland.
Volltext:
In Thorn haben in den letzten Tagen Besprechungen wegen der Uebergabe der zu Polen kommenden preußischen Provinzen stattgefunden. Dabei wurde uter anderem folgende Bestimmung getroffen:
"Die Militärpflicht wird in den neuen Provinzen sofort eingeführt werden, und zwar werden wahrscheinlich sechs Jahrgänge eingezogen werden. Die Frage, ob diejenigen, die noch zwei Jahre lang das Recht haben, für Deutschland zu optieren, eingezogen werden, steht noch offen. Deutsche militärische Dienstgrade und Dienstzeit werden anerkannt."
Die Polen sind sich natürlich keinen Augenblick darüber im unklaren, daß diese Bestimmung bis zur Panik abschreckend auf die Abstimmungskreise in West- und Ostpreußen wirken muß. Wenn sie trotzdem nicht damit zurückgehalten haben, so muß Militarismus und Kriegsrüstung für sie doch eine bitter ernste Notwendigkeit sein.
In der benachbarten tschecho-slowakischen Republik denkt man gleichfalls an nichts anderes, als an umfassendste Kriegsvorbereitungen. In Böhmen und Mähren ist die Aushebung von fünf Jahrgängen befohlen worden. Sie wird mit der größten Strenge durchgeführt trotz des offenen Widerstandes, der vielfach geleistet wird. Das Miniterium für Landesverteidigung erließ eine Bekanntmachung, in der es heißt:
"Zur unentschuldbaren Schande für die ganze Nation sammelt sich beim Minister für Landesverteidigung eine unübersehbare Masse von Gesuchen an, welche den Maßnahmen zuwiderlaufen, die zur Ergänzung unserer kämpfenden Truppen in der Slowakei getroffen worden sind. Die Einziehung würden trotzdem ohne jede Rücksicht durchgeführt."
Es ist bedenklich, daß die Völker der slawischen Rasse schon bei der Geburt ihrer staatlichen Selbstständigkeit von Krieg und Kampfeswillen beseelt sind. Die Weltenlenker von Paris werden über die Unhaltbarkeit und Unsinnigkeit ihrer Schöpfung noch derbe Lehren empfangen. Der Friede wird nichts anderes sein, als eine Neuauflage des Völkerkrieges. Mit neuem, unsagbaren Leid wird Europa bezahlen müssen, was Haß und politischer und kapitalistischer Egoismus in Versailles unter der Aegide Wilsons, Lloyd Georges und Clemenceaus geschaffen haben.
Quelle:
DAZ Nr. 357 vom 28.7.1919
In: http://zefys.staatsbibliothek-berlin.de/kalender/auswahl/date/1919-07-28/2807323X/
Bild:
https://en.wikipedia.org/wiki/Polish%E2%80%93Czechoslovak_War#/media/File:Legionáři_z_Itálie_odjíždějí_na_Těšínsko.jpg