Helfferich und Erzberger
Karl Helfferich (DNVP) und Matthias Erzberger (Zentrum) verbindet eine ausgeprägte Feindschaft. Nach Erzbergers Angriffen auf Helfferichs Finanzpolitik in der Nationalversammlung, schlägt dieser mit einer Gegendarstellung zurück. Die von Erzberger vorangetriebene Finanzreform samt einer Ausweitung der Steuerlast wird von der DNVP heftig bekämpft. Kein Wunder: bildet sich die Partei doch aus den besitzenden Schichten des Reiches.
Volltext:
Der ehemalige Staatssekretär des Reichsschatzamtes, Dr. Hellferich, setzt in einem längeren Artikel der Kreuz-Zeitung mit dem Reichsminister Erzberger auseinander, der ihn in der Nationalversammlung den leichtfertigsten aller Finanzminister genannt hat. Dr. Helfferich erklärt u.a.:
"Ich habe das Schatzamt am 1. Februar 1915 übernommen und am 31. Mai 1916 an meinen Nachfolger, den Grafen Roedern, abgegeben. Im März 1915 betrugen die Kriegsausgaben 2.085 Millionen Mark; im Mai 1916, dem letzten Monat meiner Amtsführung, 2.008 Millionen Mark. Die Ausgaben sind also in den 18 Monaten meiner Amtsführung nicht angewachsen, und das trotz der in diese Zeit fallenden Ausdehnung der Kriegsschauplätze, der Vermehrung der Formationen, der gestiegenen Preise und der starken Ausdehnung der Fabrikation. Ich habe noch auf sparsame Wirtschaft gehalten. Seit dem 1. Dezember 1918 sind die aus außerordentlichen Deckungsmitteln bestrittenen, also die laufenden Einnahmen übersteigenden Ausgaben der Revolutionsregierung kaum nennenswert niedriger gewesen als 3 Milliarden Mark monatlicher "Friedensausgaben" der Revolutionsregierung gegen 2 Milliarden Mark Kriegsausgaben unter dem "leichtfertigsten aller Finanzminister"! In den 16 [sic!] Monaten meiner Amtszeit hat die schwebende Schuld, d.i. die Ausgabe von Reichsschatzanweisungen, nur eine Vermehrung von etwa 2 Milliarden Mark erfahren. Bis zum Ausbruch der Revolution ist dann - nach meiner Zeit - der Umlauf von Reichsschatzanweisungen auf 48 Milliarden Mark gestiegen: der größere Teil dieser Steigerung kommt auf die Periode Hertling, in der die "Mehrheitsparteien" bereits mitregierten. Aber immerhin: 48 Milliarden waren dsa Ergebnis von 51 Kriegsmonaten. Seither haben acht Revolutionsmonate genügt, um unsere schwebende Schuld auf 72 Milliarden (!!) zu erhöhen. Acht Revolutionsmonate haben also die Ausgabe von 24 Milliarden Reichsschatzanweisungen nötig gemacht! Genau halb soviel als 51 Kriegsmonate! Wo ist da die "Leichtfertigkeit"? Bei unserer Kriegsfinanzpolitik oder bei unserer Revolutions-Finanzanarchie?"
In seinen weiteren Ausführungen weist Dr. Helfferich dann darauf hin, daß anfangs 1916 gerade Herr Erzberger schwere Bedenken gegen die Helfferichischen Absichten, die Anleihepolitik durch Steuern zu ergänzen, geltend gemacht habe. Daraufhin wird nun aus Weimar (offenbar vom Reichsminister Erzberger) erwidert, daß dieser zwar Herrn Bethmann Hollweg gegenüber burgfriedliche Bedenken gegen die von Dr. Helfferich eingebrachten Steuerpläne geäußert habe. Diese Bedenken richteten sich aber nicht gegen die Steuern an sich, sondern gegen die indirekten Steuern und Abgaben und gegen den durchaus mangelhaften Ausbau der Kriegsgewinnsteuer.
Quelle:
Greifenhagener Kreiszeitung Nr. 80 vom 12.7.1919
In: http://zefys.staatsbibliothek-berlin.de/kalender/auswahl/date/1919-07-12/26824255/
Bild:
https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Helfferich#/media/Datei:Karl_Helfferich.jpg