Verschont den Kaiser - nehmt mich!
Der ehemalige Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg appelliert in einem persönlichen Brief an den Oberkommandierenden der alliierten Streitkräfte, Marschall Foch, dass der Kaiser nicht ausgeliefert werden dürfe. Die Entente wirft dem ehemaligen Staatsoberhaupt Kriegsverbrechen vor. Insbesondere der unbegrenzte U-Boot-Krieg der Kriegsmarine verstieß gegen damaliges Kriegsrecht. Ganz so selbstlos, wie Hindenburg hier tut, ist er freilich nicht. Seine Auslieferung wird von der Entente ohnehin gefordert. Am Ende jedoch wird niemand wegen der deutschen Kriegsverbrechen vor Gericht gestellt werden.
Volltext:
Offener Brief und handschriftlicher Brief des Generalfeldmarschalls von Hindenburg an den Marschall Foch.
Herr Marschall!
Der Krieg ist beendet! Das deutsche Volk ist entschlossen, die schweren Bedingungen, die ihm durch den Frieden auferlegt worden sind, auf sich zu nehmen. Auch die Armee, an der Spitze ihre Offiziere, ist bereit, für die ehrliche Erfüllung dieses Friedens jedes, auch das härteste, persönliche Opfer zu bringen, sofern ihre Ehre hierbei nicht Schaden leidet. Allein ein Soldat, der nicht für seinen Obersten Kriegsherrn eintritt, dem er Mannestreue geschworen hat - ein solcher Soldat wäre dieses Ehrennamens nicht wert. Solange echte, soldatische Ehre auf der Welt noch etwas gilt, werden Feind und Freund diese Auffassung achten. Auch dieser Krieg hat trotz der Härte, mit der er geführt werden mußte, auf beiden Seiten Beispiele hohen sittlichen soldatischen Denkens und Empfindens gezeitigt - Beispiele, die beweisen, daß die allen Kulturvölkern gemeinsamen soldaten Ehrbegriffe nicht erstorben sind. Als dienstältester Soldat und zeitweise erster militärischer Berater meines Kaisers und Königs halte ich es für meine Pflicht, im Namen der alten deutschen Armee an Sie, Herr Generalissimus, als den obersten Vertreter der Heere der alliierten und assoziierten Mächte diese Zeilen zu richten und Sie zu bitten, dafür einzutreten, daß von der Forderung der Auslieferung Seiner Majestät des Kaisers Abstand genommen wird. Als höchster Führer einer Armee, die Jahrhunderte hindurch die Tradition echter soldatischer Ehre und ritterlicher Gesinnung als kostbarstes Gut gepfelgt hat, werden Sie unsere Auffassungen zu würdigen wissen. Um diese schimpfliche Erniedrigung von unserem Volke und unserer Armee fernzuhalten, bin ich bereit, jedes Opfer zu bringen. An Stelle meines kaiserlichen und königlichen Kriegsherrn stelle ich mich daher hiermit den alliierten und assoziierten Mächten mit meiner Person voll und ganz zur Verfügung. Ich bin überzeugt, daß jeder andere Offizier der alten Armee bereit ist, ein Gleiches zu tun.
Genehmigen Sie, Herr Marschall, den Ausdruck meiner vorzüglichen Hochachtung
v. Hindenburg, Generalfeldmarschall.
Quelle:
DAZ Nr. 319 vom 7.7.1919
In: http://zefys.staatsbibliothek-berlin.de/kalender/auswahl/date/1919-07-07/2807323X/
Bild:
https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_von_Hindenburg#/media/Datei:Paul_von_Hindenburg_(1914)_von_Nicola_Perscheid.jpg