Arbeiter! Schließt die Reihen!
Während das Reich von Streikbewegungen erschüttert wird, versuchen Linksradikale die Situation für ihre eigenen Zwecke zu instrumentalisieren. Der Vorstand der SPD wehrt sich. Dieses Aufstacheln der Arbeiterschaft durch Kommunisten und Unabhängigen soll die Regierung stürzen, wobei die politischen Konsequenzen für die Arbeiterschaft völlig außer Acht gelassen würden.
Volltext:
Achtung! Arbeiter, Parteigenossen!
Gegenwärtig wird von den Kommunisten und Unabhängigen wieder eifrig Stimmung für einen neuen Generalstreik gemacht. Die Agitation dafür tritt freilich nach außen hin nicht so deutlich in Erscheinung; desto emsiger wird im stillen gearbeitet. Es wird nun zwar von jener Seite der Vorwurf, daß man einen neuen Generalstreik vorbereite, zurückwiesen. Das gleiche war aber auch im Januar und im März der Fall und es darf deshalb wohl mit Recht gesagt werden, daß, je eifrifer die Kommunisten und Unabhängigen eine derartige Absicht leugnen, sie um so sicherer vorhanden ist. Man will versuchen, unter der Maske wirtschaftlicher Kämpfe die Arbeiterschaft in einen politischen Streik hineinzutreiben. Dazu sollen besonders die gegenwärtig erhobenen Lohnforderungen der Straßenbahner und Eisenbahner dienen. Vor allem glaubt man, daß es durch einen Streik der Eisenbahner gelingen würde, nicht nur das Wirtschaftsleben lahm zu leben, sondern auch die Regierung zu stürzen. Da die Stimmung bei den Eisenbahnern für den Streik nicht besonders günstig ist, versucht man, sie durch alle möglichen Zusagen, z.B., daß die Arbeiter der Städtischen Elektrizitätswerke die Arbeit zu ihrer Unterstützung niederlegen würden, so daß die Regierung dann unter allen Umständen auch die wirtschaftlichen Forderungen der Eisenbahner bewilligen müßte, für den Streik zu gewinnen, obwohl bei den ungeheuren Zuschüssen, die heute schon die Eisenbahnen erfordern, ein Entgegenkommen nur durch weitere ungeheure Belastung der Steuerzahler möglich ist. Hier will man Tausende von Eisenbahnern, die einem politischen Streik ablehnend gegenüberstehen, ohne daß sie es merken, für die politischen Absichten gewisser Kreise, die sich vorläufig noch vorsichtig im Dunkeln halten, mißbrauchen. Nun könnte dem deutschen Volk und damit dem Proletariat kein größeres Unglück passieren, als wenn im gegenwärtigen Augenblick gerade nach Friedensschluß das Wirtschaftsleben durch einen politischen Streik erneut aufs allerschwerste erschüttert würde. Ein solcher Streik wäre geradezu ein Verbrechen an der deutschen Volkswirtschaft und damit auch an der Arbeiterschaft.
Wir warnen darum unsere Parteigenossen und alle besonnenen Arbeiter dringend, sich für einen solchen Generalstreik einfangen zu lassen. Im Gegenteil erwarten wir, daß die denkende Arbeiterschaft alles daran setzt, den Wiederaufbau unserer Volkswirtschaft tatkräftig zu unterstützen, um damit auch die Möglichkeit der Sozialisierung zu schaffen.
Arbeiter! Angestellte! Beamte! Parteigenossen! Folgt nur der Parole der Parteileitung und nicht den Treibereien unverantwortlicher Personen!
Der Vorstand
des Bezirksverbandes Groß-Berlin der SPD
Quelle:
Vorwärts Nr. 321 vom 26.6.1919 (M.)
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