Bewährungsprobe für Weimar
Auch die Sicherheit in Weimar ist nur eine relative. Im Januar hatte die provisorische Reichsregierung den Umzug aus Berlin beschlossen und angesichts der Gewalt in der Hauptstadt war dies eine gute Wahl. Jetzt im Juni wird auch Weimar von einem Putschversuch erschüttert. Den revoltierenden Militärs geht es vor allem ums Geld. Es ist nicht der letzte Aufstand aus den Reihen derjenigen, die eigentlich für den Schutz der demokratischen Institutionen verantwortlich sind.
Volltext:
Ein Putschversuch in Weimar.
Zu einem Putsch, der vielleicht mit zahlreichen Flugblättern, die in verschiedenen Teilen der Stadt gefunden wurden, in Zusammenhang steht, kam es hier in der vergangenen Nacht. Gegen ½ 3 Uhr morgens unterbrach Gewehr- und zeitweise auch Maschinengewehrfeuer die Stille der Nacht. Der wegen Unterschlagung von 75.000 M. in Untersuchungshaft in dem alten, zurzeit als Militärrestlokal benutzten Landgericht befindliche Feldwebel Schwarz, der zugleich dort eine Art Aufsichtsposten versieht, ließ heute Nacht die in dem Arrestlokal wegen verschiedener Vergehen inhaftierten Militärpersonen, gegen 50 Mann, frei und entwaffnete mit ihnen die beiden das Landgericht bewachenden Posten. Von hier zogen die Befreiten unter Führung von Schwarz nach dem Schlosse, entwaffneten dortselbst ebenfalls die Posten, sowie die aus 7 Mann bestehende Besatzung der Hauptwache. Hierauf wurden auch die Posten vor der Kaserne entwaffnet. Ein Versuch, in das Marstallgebäude zu gelangen und daselbst die Gewehr- und Munitionsvorräte zu erreichen, mißlang, da alle Türen verschlossen waren. Inzwischen waren die in der Stadt verteilt in ihren Quartieren liegenden Landesjäger von der Sachlage verständigt worden und begaben sich dieselben nach der Gegend des Schlosses, des Marstalls und der Gerberstraße, wo die Aufrührer sich befanden. Die Säuberung der Straßen verzögerte sich dadurch, daß die aus verschiedenen Straßen anrückenden Landesjäger sich vor dem die Marstall- und Gerberstraße bestreichenden Maschinengewehr- und Flintenfeuer der eigenen Kameraden schützen mußten. Mit zunehmender Helligkeit arbeiteten dann aber die Landesjäger Hand in Hand. Es gelang zunächst, vier der Aufrührer aus einem Auto in der Gerberstraße an der Ilm herauszuholen und fünf weitere auf der Insel an der Kegelbrücke, wohin sie sich geflüchtet hatten, zu verhaften. Dieselben wurden unter „Hände hoch!“ nach dem Schloßhofe gebracht. Bis 7 Uhr waren bereits 25 Mann in Gewahrsam. Feldwebel Schwarz, der sich ebenfalls auf der Ilminsel befunden hatte, ist durch die Ilm nach Jena entflohen und wird durch Kavallerie verfolgt. Vor dem Nationaltheater stehen die Berliner Schutzmannschaften unter dem Gewehr. Das Schloß ist von einer starken Wache besetzt und Militärpatrouillen durchziehen die Stadt. Von allen umliegenden Landorten rücken Truppen ein. Gegen 8 Uhr vormittags herrschte wieder Ruhe in der Stadt. Es besteht keine Gefahr mehr.
Quelle:
Jenaer Volksblatt, Nr. 140 (19.06.1919)
In: https://zs.thulb.uni-jena.de/receive/jportal_jpvolume_00358420