Die Revolution war nutzlos!
Der ehemalige Volksbeauftrage und jetzige Wirtschaftsminister Rudolf Wissel (MSPD) ist enttäuscht. Er zeigt sich vor allem über seinen Misserfolg in Sachen Sozialisierung verbittert. Auf der Parteitag der MSPD in Weimar lässt er seinem Ärger über den bisherigen Verlauf der Revolution Luft.
Volltext:
[…] Trotz der Revolution sieht sich das Volk in seinen Erwartungen enttäuscht. Es ist nicht das geschehen, was das Volk von der Regierung erwartet hat. Wir haben die formale politische Demokratie weiter ausgebaut. Gewiß! Aber wir haben doch nichts anderes getan, als das Programm fortgeführt, das von der Kaiserlich Deutschen Regierung des Prinzen Max von Baden schon begonnen worden war. Wir haben die Verfassung fertiggestellt, ohne tiefe Anteilnahme der Bevölkerung; wir könnten […] die Massen nicht befriedigen, weil wir kein richtiges Programm hatten. […] Wir haben im wesentlichen in den alten Formen unseres staatlichen Lebens regiert. Neuen Geist haben wir diesen Formen nur wenig einhauchen können. Wir haben die Revolution nicht so beeinflussen können, als daß Deutschland von einem neuen Geiste erfüllt schiene. Das innere Wesen der deutschen Kultur, das gesellschaftliche Leben erscheint wenig verändert, vielfach nicht zum besseren. Und das Volks glaubt, daß die Errungenschaften der Revolution lediglich negativen Charakter haben, daß an die Stelle einer militärischen und bürokratischen Herrschaft einzelner nur eine andere getreten ist, und daß sich die Regierungsmaximen im Wesen nicht von denen des alten Regimes unterscheiden. […] Ich glaube, die Geschichte wird wie über die Nationalversammlung auch über uns in der Regierung hart und bitter urteilen […]
Quelle:
Ursachen und Folgen, Bd. 3, S. 156 f.
Bild:
https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Wissell#/media/File:Bundesarchiv_Bild_102-09381,_Rudolf_Wissel.jpg