Es steht schlecht um Klemperer
Victor Klemperer berichtet von seinen Vortragsvorbereitungen und einem Buch von Émile Zola, das er gelesen hat. Das Ehe-Schicksal der Hauptcharaktere hat es ihm offenbar angetan.
Volltext:
Sonnabend Vorm. 7. Juni 19
Eine ungefähre Disposition zum Victor Hugo-Colleg (zweistündig) ist fertig, einleitende Zeilen sind begonnen. Ich werde in der ersten Stunde die Frage nach dem Wesen der Romantik zu einer kleinen Sonderstudie ausbauen. Las dazu gestern und heute Küchlers kleines Buch »Französische Romantik«, das in Einzelartikeln, ohne tief zu greifen, dies u. jenes zur Sache, nirgends aber einen Ansatz zur Systematik bietet. – [...]
L'œuvre vorgelesen. Nirgends scheint mir Zola so viel Persönliches zu geben. Die Frau, die neben dem Werk des Mannes ihr Recht verliert, bewegt mich sehr. Eva sagte: Du bist doch nicht eifersüchtig? Vielleicht eine leise rhetorische Frage. Ich bin vor allen Dingen neidisch; ich muß mich immer an ihrer Produktivität u. Arbeitskraft messen; es steht sehr schlecht um mich.
Quelle:
Nowojski, Walter (Hrsg.), Victor Klemperer. Leben sammeln, nicht fragen wozu und warum. Tagebücher 1918 - 1924, Berlin 1966, S. 123.
Bild:
https://en.wikipedia.org/wiki/Victor_Klemperer#/media/File:Maxim_Gorki_Straße,_Pirna_123713890.jpg