Ausbruch der Märzkämpfe in Berlin
Zum wiederholten Male ist es in Berlin mit Unterstützung der Spartakisten zum Aufstand gegen die Regierung gekommen. Doch dieses Mal steht dieser Aufstand im Zusammenhang mit einem Generalstreik, dem sich große Teile der Berliner Bevölkerung angeschlossen haben. Die Forderungen sind weitestgehend die alten. Doch diesmal überrascht die Wucht des Aufstandes. Das im thüringischen Sondershausen erscheinende Blatt "Der Deutsche" sieht diesmal sogar die Gefahr einer Berliner Räterepublik heraufziehen, wenn die Regierungstruppen versagen sollten.
Volltext:
Über die Sitzung der Berliner Arbeiterräte, in der mit ungefähr Zweidrittel-Mehrheit der Generalstreik beschlossen wurde, berichtet die Deutsche Allgemeine Zeitung: Es wurde festgesetzt, welche Berufsgruppen an dem Streik nicht teilnehmen dürfen: die Lebensmittelbranche, Feuerwehr, das gesamte Sanitätswesen, die Gaswerke, Beerdigungsinstitute, sowie Krankenkassen und Gewerkschaftsorganisationen. In den Generalstreik treten u.a. die Verkehrsmittel mit einer kleinen Einschränkung. Vollständig streiken Elektrizität, Post und Telegraph, Gastwirtschaften und Hotels, Dienstboten und die Presse. Es wird u.a. verlangt: Freilassung aller politischen Gefangenen, insbesondere von Ledebour und Radek, Auflösung des Standgerichts, Wiederaufnahme der wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu Russland, sofortige Auflösung der Freiwilligenkorps, Umwandlung der bestehenden Gerichte in Volksgerichte. es wurde sodann über die Einzelforderung, welche die „Rote Fahne“ erhoben hat, eine Anzahl politischer Männer des alten und des jetzigen Systems vor einem Revolutionsgericht abzuurteilen, nach längerer Debatte abgestimmt. Der erste Teil, wonach die beiden Hohenzollern, Hindenburg und Ludendorff abzuurteilen sind, wurde angenommen. Der zweite Teil, nach welchem Ebert, Scheidemann und Noske abzuurteilen sind, wurde abgelehnt. Die Kommunisten protestierten hiergegen. Drittens wurde beschlossen, die Mörder von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg und anderen Revolutionsopfern in der gleichen Weise vor ein Revolutionsgericht zu stellen.
Bekanntlich ist der Belagerungszustand über Berlin verhängt und von allen Seiten sind Maschinengewehre aufgefahren worden. Sämtliche Zeitungsbetriebe sind von Papierballenbarrikaden umgeben und die Zugangsstraßen zu den öffentlichen Gebäuden mit bewaffneten Regierungstruppen besetzt. Im Norden Berlins hat der Pöbel verschiedentliche Ausschreitungen gegen Polizeibeamten und am Alexanderplatz Plünderungen vorgenommen. Alles hängt im Augenblick von der Haltung der Regierungstruppen ab. Versagen sie, dann ist der Sieg des Spartakusbundes sicher und auch in Berlin wird die Räterepublik proklamiert.
Quelle:
Der Deutsche - Sondershäuser Tageblatt und General-Anzeiger vom 05. März 1919, Nr. 54
In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00247625/SDH_19376538_1919_Der_Deutsche_0219.tif
Bild:
https://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_Noske#/media/File:Bundesarchiv_Bild_102-14240,_Gustav_Noske.jpg