Die Weimarer Republik – Deutschlands erste Demokratie

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Bamberger Erklärung der Alldeutschen

Der Alldeutsche Verband war eine der wichtigsten rechtsradikalen Vereinigungen der Weimarer Republik. Bereits seit der Kaiserzeit waren die Alldeutschen Befürworter einer radikal-expansionistischen Politik, die sowohl in Europa wie auch in Übersee gewaltsam neue Gebiete annektieren wollten. Die folgende Erklärung stellt eine Art Grundsatzprogramm des Verbandes dar.

Volltext:

Durch den schmachvollen Zusammenbruch des Deutschen Reiches sieht der Alldeutsche Verband das Vaterland nicht nur um den erstrebten Erfolg eines durch mehr als vier Jahre hindurch heldenhaft geführten Kampfes gebracht, sondern auch militärisch, politisch und wirtschaftlich in den Zustand tiefster Ohnmacht versetzt; gleichzeitig gewahrt er im Leben des Volkes Erscheinungen, die auf den sittlichen Zerfall weiter Volkskreise schließen lassen. Entgegen den immer von neuem wiederholten Behauptungen der wirklich Schuldigen und Mitschuldigen hält sich der Alldeutsche Verband an die erwiesene geschichtliche Tatsache, daß für diesen Zusammenbruch weder die oberste Heeresleitung, noch die völkisch gerichteten Bürger verantwortlich gemacht werden können, sondern daß er gewissenlosen Volksverrätern zu Last fällt, die sich offen als seine Urheber bekannt haben, sowie den Regierungen im Reiche und in den Bundesstaaten, die nicht den Mut und Entschluß fanden, dem drohenden Umsturz entgegenzutreten. Der Alldeutsche Verband sieht die Hoffnungen vereitelt, die er mit Fug und Recht an dem von ihm aus guten Gründen erwarteten günstigen militärischen Ausgang des Krieges für die militärische, politische und wirtschaftliche Sicherung der deutschen Zukunft, sowie für die innere Wiedergeburt unseres Volkes geknüpft hatte, und weist die Verantwortung für dieses schmachvolle Ende denen zu, die den Siegeswillen unseres Volkes planmäßig untergraben und mit feindlicher Unterstützung in der Heimat und vor dem Feinde Verrat geübt und verbreitet haben.  […]

Zur heutigen Regierung kann der Alldeutsche Verband ebenso wenig Vertrauen fassen, wie er die heutige Regierungsform als die dem deutschen Volke angemessene anerkennt. Die heutigen Regierenden sind teils mitverantwortlich für die Politik, die unser Vaterland beim Ausbruch des Krieges ungenügend vorbereitet fand, und zwar sowohl militärisch, als auch politisch und wirtschaftlich, und die im weiteren zu seinem unglücklichen Ausgang führte, –  teils tragen sie Schuld an dem Zusammenbruch der Heimat. Das gleiche gilt von jenen politischen Kreisen, aus denen die heutigen Machthaber hervorgegangen sind und auf die sie sich stützen. Der Alldeutsche Verband muß sie, wie alle, die „internationalen“ Bestrebungen anhängen, bekämpfen, wenn er seinen Dienst an unserem Volke getreu erfüllen will.

[…]  Diese machtpolitische Vorraussetzung staatlicher Wiedergeburt findet auf dem Gebiet innerpolitischer, sittlicher und kultureller Fragen sein Gegenstück in der Notwendigkeit, den jüdischen Einfluß zurückzudämmen; der Alldeutsche Verband wird alle Bestrebungen zu fördern versuchen, die ruhig und bestimmt dafür eintreten, daß Deutschland den Deutschen gehört, und daß es demgemäß in allen inneren, äußeren, kulturellen und wirtschaftlichen Fragen geleitet werde. Sein Verhalten in dieser Frage gründet sich auf die unbestreitbare Tatsache, daß die Juden ein volksfremder Bestandteil der Reichsbevölkerung sind, und daß die Zurückweisung ihrer Machtansprüche mit Glaubensfragen gar nichts zu tun hat. […]

Das Ausland-Deutschtum selbst hat der Alldeutsche Verband stets für den wichtigsten Vorposten deutschen Einflusses, deutscher Wirtschaft und Kultur gehalten und ihm demgemäß seine Fürsorge gewidmet. Jetzt, wo die Lage der Auslands-Deutschen durch  den Ausgang des Krieges unendlich erschwert, ja vielerorts unerträglich geworden ist, wo sie zudem unter dem Haß und der Verachtung der Wirtsvölker zu leiden haben, werden wir uns mit erhöhtem Eifer ihres Wohles annehmen müssen; wir empfehlen dabei sofort, soweit eine Rückwanderung einsetzen wird, die Hinlenkung auf Gebiete, wo das Wohl der Rückwandernden mit dem Nutzen der Volksgesamtheit übereinstimmt. Wo aber das Ausland-Deutschtum Aussicht hat, sich über die Nöte dieser Zeit zu bewahren, muß alles geschehen, damit ihm durch die deutsche Kirche und Schule, durch die Selbsthilfe draußen und von der Heimat her die deutsche Sprache und damit der Zusammenhang mit dem alten Vaterlande erhalten werde.

[…] Deutsche Freiheit, Ehre und Würde sind für uns die Inbegriffe eines für Deutschgeborene lebenswerten Daseins, und wir wollen, daß diese Sterne wieder über unserem Vaterlande leuchten, nicht aber die Irrlichter der Zuchtlosigkeit, Ehrvergessenheit und Würdelosigkeit.

Friedrich Ratzel, Gründungsmitglied des Alldeutschen Verbandes

Quelle:

Ursachen und Folgen, Bd. 3, S. 216ff.

 

Bild:
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Ratzel#/media/File:Bundesarchiv_Bild_183-R35179,_Prof._Friedrich_Ratzel.jpg

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Ein Projekt des Weimarer Republik e.V. mit freundlicher Unterstützung

Glossar

Abkürzungs- und Siglenverzeichnis der verwendeten Literatur:

ADGBAllgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund
AEGAllgemeine Elektricitäts-Gesellschaft
AfA-BundGeneral Free Federation of Employees
AVUSAutomobil-Verkehrs- und Übungsstraße
BMWBayrische Motorenwerke
BRTBruttoregistertonne
BVPBayerische Volkspartei
CenterZentrumspartei
DAPDeutsche Arbeiterpartei
DDPDeutsche Demokratische Partei
DNTDeutsches Nationaltheater
DNVPDeutsch-Nationale Volkspartei
DVPDeutsche Volkspartei
KominternCommunist International
KPDKommunistische Partei Deutschlands
KVPKonservative Volkspartei
MSPDMehrheitssozialdemokratische Partei Deutschlands
NSNationalsozialismus
NSDAPNationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei; Nazipartei
NVNationalversammlung
O.C.Organization Consul
OHLOberste Heeresleitung
RMReichsmark
SASturmabteilung; Brownshirts
SPDSozialdemokratische Partei Deutschlands
SSSchutzstaffel
StGBPenal Code
UfAUniversum Film Aktiengesellschaft
USPDUnabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands
VKPDVereinigte Kommunistische Partei Deutschlands
ZentrumDeutsche Zentrumspartei
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(zusammengestellt von Dr. Jens Riederer und Christine Rost, bearbeitet von Stephan Zänker)