Die Gesetzlosigkeiten in Berlin
Vor dem Kontext der Märzkämpfe prangert das Hauptorgan der USPD die "monopolisierte Berichterstattung" der Regierung an. Besonders im Vorwärts komme dies zur Geltung. Durch Willkür und Unterdrückung versuche das "militärische Gewaltregime" die Freiheitsrechte einzuschränken.
Volltext:
Noch immer hält es die Regierung mit ihren Beteuerungen für die Pressefreiheit für vereinbar, daß unter ihren Augen Zeitungen ohne jede Angabe von Gründen verboten sind. Auch heute noch ist das Erscheinen der „Republik“ verboten. Alle Bemühungen, eine Aufhebung des Verbots zu erlangen waren vergeblich,
Das ist um so mehr zu verurteilen, als es sich bei dem Verbot des Erscheinens der „Republik“ ebenso um ein Präventiv-Verbot handelt, wie das bei der „Freiheit“ der Fall war. Das ist aber eine durchaus ungesetzliche Anordnung, die selbst das alte Gewaltregiment verschmähte. Sie wirft ein bezeichnendes Licht auf die Regierung, die sonst zum Schutze der Pressefreiheit sogar hat Kanonen auffahren lassen.
Auch der „Freiheit“ ist bis heute weder eine schriftliche Mitteilung über das Verbot, noch eine solche über die Aufhebung, oder über die Gründe zugegangen. Es scheint, als ob die gegenwärtigen Gewalthaber eine Rechtfertigung ihres Handelns überhaupt nicht nötig zu haben glauben.
Die „Vossische Zeitung“ teilte gestern mit, daß der Abgeordnete Haase in der Nationalversammlung zwei kleine Anfragen eingebracht habe, eine über das Verbot der „Freiheit“ und der „Republik, die andere über die „rechtlosen Grundlagen der Verhängung des Standrechts. In dem offiziellen Bericht über die Nationalversammlung fehlt jede Erwähnung dieser beiden Anfragen. Das ist kennzeichnend für diese monopolisierte Berichterstattung, die mehr und mehr zu einer bewußten Irreführung der öffentlichen Meinung zu werden droht. Zu gelegener Zeit wird darüber noch weiteres zu sagen sein.
Ebenfalls als einen Akt völlig ungerechtfertigter Willkür muß ferner die Verhaftung unseres Kollegen A. Stein angesehen werden, der auf eine Denunziation hin nun schon fast eine Woche in Untersuchungshaft gehalten wird. Seine Verhaftung, wie die vieler anderer Personen, die ohne jede Veranlassung geschah, zeigt, daß das militärische Gewaltregiment ihm politisch unbequeme Personen gegen Gesetz und Recht durch Verhaftung aus dem Wege zu schaffen sucht. Auch in diesem Falle fehlt jegliche Beachtung der während des Krieges geschaffenen rechtlichen Sicherungen.
Der „Vorwärts“ hat gestern beteuert, daß er mit uns das offenbare Unrecht der militärischen Gewalthaber verurteilen und bekämpfen werde. Wir haben aber bisher vergebens auf eine Beurteilung des gegen die „Freiheit“ und die „Republik“ ergangenen Verbots durch ihn gewartet. Wir sind begierig, ob der „Vorwärts“ jetzt die Entschiedenheit aufbringt, gegen die Unterdrückung der „Republik“ wie gegen die grundlosen Verhaftungen Einspruch zu erheben, oder ob er es weiter als seine Aufgabe betrachtet, neben dem Sprachrohr der Regierung auch das Sprachrohr der militärischen Gewalthaber Berlins zu sein.
Quelle:
Die Freiheit vom 12. März 1919, 2:118 (1919), Morgen-Ausgabe, S. 1.