Scheidemann: Deutsch bleibt der Rhein!
In einem seltenen Moment völliger Einigkeit gibt Ministerpräsident Scheidemann eine Regierungserklärung über die seperatistischen Bestrebungen im Rheinland ab. Jegliche Loslösungsversuche, die von Frankreich maßgeblich unterstützt wurden, seien ein Verstoß gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Dem vorausgegangen waren auch Versuche zur Gründung einer "Westdeutschen Republik", was als Vorstufe einer Abspaltung interpretiert wurde.
Volltext:
[...] Außerhalb der Tagesordnung erteile ich das Wort dem Herrn Präsidenten des Reichsministeriums.
Scheidemann: Präsident des Reichsministeriums:
Meine Damen und Herren! Pressenachrichten zufolge wird von französischer Seite in den besetzten Gebieten eine überaus rege Propaganda getrieben, die auf eine Loslösung rheinischer Gebietsteile vom Reich hinzielt. Wir wissen, daß diese Propaganda an der Treue der Bevölkerung zum Reich scheitern wird. Trotzdem sind die Gefahren, die aus diesen Bestrebungen unserer Gegner erwachsen, nicht zu verkennen. Nach dem heutigen Stande der Dinge bin ich der Ansicht, daß jede staatsrechtliche Umgestaltung vor Friedensschluß geeignet ist, die nationale Einheit unseres Vaterlandes zu bedrohen.
(Sehr richtig!)
Angesichts der gesamten Sachlage habe ich im Namen der Reichsregierung zu erklären:
Die Reichsregierung sieht in jedem Versuch der Losreißung links- oder rechtsrheinischen Landes einen durch keinen Vorwand zu beschönigenden Verstoß gegen das allgemein anerkannte Nationalitätsprinzip, eine unerhörte Vergewaltigung des einheitlich fühlenden deutschen Volkes.
(Sehr richtig!)
Die Reichsregierung weiß sich darin völlig einig mit der heiligen Überzeugung der gesamten links- und rechtsrheinischen Bevölkerung, die nichts gemein haben will mit eigennützigen Bestrebungen einzelner interessierter Personen. Die rheinische Bevölkerung ist deutsch und will deutsch bleiben.
(Bravo!)
Das Verhältnis der rheinischen Lande zu den deutschen Gliedstaaten ist eine rein innere Angelegenheit Deutschlands.
(Sehr richtig!)
Diese Frage kann nur in fester Reichseinheit gelöst werden. Reichsregierung und Nationalversammlung widmen ihr die ernsteste Beachtung. Eine endgültige Lösung kann erst nach Friedensschluß und nur auf verfassungsmäßigem Wege erfolgen.
(Lebhaftes Bravo.)
[Das Haus stimmt der Regierungserklärung einstimmig zu.]
Quelle:
Stenographische Berichte der Verhandlungen der Deutschen Nationalversammlung, 27. Sitzung vom 13.3.1919.
In: https://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt2_wv_bsb00000011_00047.html
Bild:
https://de.wikipedia.org/wiki/Philipp_Scheidemann#/media/File:Bundesarchiv_Bild_175-01448,_Berlin,_Reichskanzlei,_Philipp_Scheidemann.jpg