Die Russen - Wie Generalstabsoffiziere
Kessler schreibt über die "kühlen Russen" und deren extremer Geschultheit. Außerdem berichtet er von der Geldknappheit der KPD, deren Funktionäre und Anhänger - so ganz anders als die Russen - hysterisch und kopflos handeln würden. Wieland Herzfelde, der in dieser Sache als Informationsquelle Kesslers auftritt, war selbst KPD-Mitglied und ein erfolgreicher Verleger.
Volltext:
3 Mai 1919. Sonnabend. Berlin.
Wieland Herzfelde bei mir. Er erzählt von kommunistischen Versammlungen, denen er beigewohnt hat. Überall seien Russen bei diesen Zusammenkünften; viel besser geschult als die Deutschen, ohne Pathos, kühl, berechnend wie Generalstabsoffiziere. Sie sprächen immer rein sachlich u. verachteten den deutschen Arbeiter wegen seiner politischen Dummheit u. Rückständigkeit. Herzfelde meint, es müssten schon vor der Revolution zahlreiche russische Agitatoren im kommunistischen Sinne in Deutschland tätig gewesen sein. Aber die deutsche kommunistische Partei leide vor Allem an Geldmangel. Sie habe Nichts. Die Zustände seien geradezu kläglich. Ausserdem seien viele von den kommunistischen Arbeitern offenbar hysterisch. Man merke das bei den Diskussionen, wo nur die Russen kalt überlegen blieben, die Deutschen sich bis zur Sinnlosigkeit aufregten. Von seiner „Pleite“ setzt H. jetzt 10 bis 12 000 Exemplare ab.
Quelle:
Reinthal, Angela (Hrsg.), Harry Graf Kessler. Das Tagebuch Siebter Band 1919-1923, Stuttgart 2004, S. 242.
Bild:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kommunistische_Partei_Deutschlands#/media/File:KPD-logo.svg