Bayerische Truppen marschieren durch Österreich - Kurt Eisner beendet den Krieg
Die nationalliberale BBZ wundert sich auf ihrer Titelseite über den ablehnenden Empfang bayerischer Truppenkontingente in Österreich. Schließlich - so die Logik des Blattes - wolle man nur die gemeinsame deutsche Grenze in Tirol vor der Entente verteidigen. Der bayerische General Krafft v. Dellmensingen tut dementsprechend kund, dass eine Kooperation der Österreicher notfalls mit Waffengewalt erzwungen werde. Diese sind hingegen mehr an einem Sonderfrieden mit der Entente interessiert, als an einem schnellen Anschluss ans Reich.
In München marschieren derweil mehrere Tausend Anhänger der sozialdemokratischen Parteien unter der Führung Kurt Eisners (USPD) durch das Münchener Stadtzentrum und fordern die Abdankung der herrschenden Wittelsbacher Dynastie und ein sofortiges Ende des Krieges. In der Nacht zum 8. Nov. wird Eisner den "Freien Volksstaat Bayern" ausrufen und die Einheit der Arbeiterparteien beschwören. Der "Bruderkrieg" müsse ein Ende haben. Die übrigen deutschen Herrscherhäuser werden in den nächsten Tagen fallen wie Dominosteine.
Volltext:
Die Bedrohung der bayerischen Grenze
- München, 7. November
Der [bayerische] Kriegsminister erläßt folgenden Aufruf: Die Waffenstillstandsbedingungen, die unserem bisherigen österreichischen Verbündeten auferlegt wurden, eröffnen dem Feind die Möglichkeit, unsere Süd- und Ostgrenze militärisch zu bedrohen. Das bayerische Volk, das in diesem Kriege einen bewundernswerten Opfermut gezeigt hat, kann auch dieser Möglichkeit zuversichtlich entgegensehen. Zur Beunruhigung liegt kein Anlaß vor. Vorkehrungen für den Schutz der Heimat sind getroffen und im Gange. Die Bevölkerung darf das höchste Vertrauen haben, daß sie rückhaltlos davon unterrichtet wird, falls wider Erwarten eine unmittelbare Gefährdung des Landes eintreten sollte. Deshalb Ruhe und Zuversicht.
gez. [Philipp] von Hellingrath,
General der Kavallerie, Kriegsminister
Einmarsch der Bayern in Nordtirol
- Innsbruck, 6. November
Die "Innsbrucker Nachrichten" bringen an der Spitze ihrer heutigen Mittagsnummer folgende Meldung: Das Bayerische Kriegsministerium in München hat den Präsidenten des Tiroler Nationalrates am 5. November 10 3/4 Uhr nachts folgende Depesche übermittelt:
Die Waffenstillstandsbedingungen zwischen Oesterreich und der Entente zwingen uns, zur Sicherung unserer Landesgrenzen Truppen nach Nord-Tirol zu schicken. Gleichzeitig sollen diese Truppen mithelfen, um den Abzug abgelöster Teile des österreichischen Heeres nach Osten zu ordnen und das Land vor Zuchtlosigkeit zu schützen. Unsere Vorhuten überschreiten am 5. November die Grenze und starke Kräfte werden folgen. Wir kommen als Freunde und erwarten, daß uns bei unseren Bewegungen keine Hindernisse von seiten des deutsch-österreichischen Nationalrates und der österreichischen Kommandobehörden in den Weg gelegt werden. Sollte das trotzdem der Fall sein, so sind unsere Truppen angewiesen, sich mit Waffengewalt den Weg zu bahnen
Der Kommandieren General
[Konrad] Krafft v. Dellmensingen
Das Blatt fügt noch hinzu: Der Waffenstillstand mit der Entente ist abgeschlossen und der deutsch-österreichische Nationalrat hat ihn mit Bedauern zur Kenntnis genommen. Die Bedingungen sind in Durchführung begriffen, Innsbruck hat danach bereits gehandelt, die Bevölkerung jedoch wird mit Rücksicht auf die bereits eingetretenen schlommen Ereignisse in vielen Orten Tirols das Erscheinen deutscher Ordnungsmannschaften im Interesse des Landes und der heranströmenden Soldaten, die selbst gleich welcher Nation sie angehören mögen, unter der Unordnung schwer leiden, nur begrüßen.
Salzburg gegen den Durchzug bayerischer Truppen
- Salzburg, 6. November
Heute nachmittag trafen hier bayerische Truppen in einer Stärke von ungefähr zwei Bataillonen ein, die ihre Fahrt ins Gebirge fortsetzen wollten. Die [österreichische] Feldtransportleitung verweigerte die Weiterbeförderung. Hierauf begab sich ein bayerischer Offizier zu dem Militärstationskommandant und forderte die Freigabe des Schienenweges. Der Militärstationskommandant verweigerte dies und legte, als der Offizier auf seinem Verlangen beharrte, gegen den Durchzug bayerischer Truppen Protest ein. Auch der [österreichische] Nationalrat legte schriftlich Verwahrung gegen den Durchzug bayerischer Truppen ein. Die Bayern setzten sodann [entsprechend der Verweigerung, Anm.] die Fahrt in der Richtung Schwarzach - St. Veit fort.
Quelle:
Berliner Börsen-Zeitung Nr. 524 / Jg. 64 vom 7.11. (Morgen)
In: http://zefys.staatsbibliothek-berlin.de/kalender/auswahl/date/1918-11-07/2436020X/
Bild:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Eisner#/media/File:Kurt_Eisner,_An_die_Bev%C3%B6lkerung_M%C3%BCnchens.jpg