Deutsche Frauen: "Frieden wollen wir, aber nicht um jeden Preis"
Eine Versammlungswelle der "Posener Deutschen Frauen" ist Gegenstand im Koschminer Anzeiger. Die Rednerinnen beschwören eine unauslöschliche Zugehörigkeit der "Ostmark" zum Reich und werfen den Polinnen und Polen Undank für die geleistete ehrenamtliche Fürsorge vor. Nie habe man zwischen deutschen und polnischen Notbedürftigen unterschieden. Nun wollen die "Deutschen Frauen" Frieden, aber man werde sich nicht Heimat und Ehre nehmen lassen. Die Hauptrednerin Elise Ekke (DDP, MdNV) wird sich später in Polen für die Rechte der deutschen Minderheit einsetzen.
Volltext:
Die Frauenversammlungen
Am Dienstag abend strömten die Posener deutschen Frauen in vier Volksversammlungen zusammen, um nationale Kundgebungen zu veranstalten. Die größte Versammlung fand im Zoologischen Garten statt, dessen großer Saal schon eine Stunde vor Beginn dicht gefüllt war. Zwei weitere Versammlungen mußten, da noch viele Hunderte vergeblich Einlaß heischten, im evangelischen Vereinshause und eine weitere in der Baugewerkschule abgehalten werden. Garnisionspfarrer Schwandt begrüßte im Zoologischen Garten die Teilnehmerinnen und brachte ein Kaiserhoch aus, worauf "Deutschland, Deutschland über Alles" gesungen wurde. Frl. [Elise] Ekke [später DDP, Anm.] schilderte sodann die Vergangenheit der Ostmark.
In eindringlichen Worten rief sie alle deutschen Frauen zur Treue gegen die heimatliche Scholle auf. Den sittlichen Anspruch an den ostmärkischen Boden hätten wir uns durch unsere Arbeit erworben. Schon zu Augustus Zeiten galt dieses Gebiet als deutsches Siedlungsgebiet. Deutsche Mönche aus Rheinland und Brandenburg waren es vor allem, welche deutsche Bauern in dem verwahrlosten Lande ansiedelten. Erst nach den Wenden kommen die Polen in das Land. Sobald der deutsche Zuzug aufhörte, machte sich auch sofort ein Rückgang in der kulturellen Entwicklung des Landes bemerkbar. Als dann die Einverleibung der Ostmarken erfolgte [gemeint ist die 2. Teilung Polens 1793, Anm.], da nahm Preußen keinen Fremdkörper auf, sondern alte deutsche Gründungen, alten deutschen Kulturboden. Daß eine Abstimmung zu Ungunsten der Polen ausfallen würde, weiß man auch dort sehr wohl.
Als zweiter Redner sprach Garnisionspfarrer Schwandt über die Gegenwart. Er sagte u.a.: Wir bieten Frieden und geben damit den Weltkrieg verloren - aber Deutschland nicht, deutsche Ehre und deutsche Erde nicht. Frieden wollen wir haben, aber nicht um jeden Preis. Das sind wir denen schuldig, über denen sich da draußen fremde Erde wölbt, und denen, die nach uns kommen werden. Bedingungslose Waffenstreckung weisen wir von uns, denn wir sind nicht besiegt. Der Kleinglauben der Heimat zehrte an unserer Kraft und jetzt reifen die Früchte. So stehen wir heute, vor Augen den Tod, hinter und die Schande. Deutsche Frauen voran, daß wir nie ehrlos, nie heimatlos werden!
Als letzte Rednerin verbreitete sich Frl. Koffer über unsere Zukunft. Sie schilderte die Wirkung der Abtretung der Ostmark an den polnischen Staat in den verschiedensten Berufsständen und kam zu dem Schluß, daß uns bei einer bedingungslosen Unterwerfung Arbeitslosigkeit, Verarmung, Herabsinken des Bildungsstandes und der sozialen Fürsorge schwer treffen würden. Tausendmal schlimmer seien die ideellen Verluste. Einen großen Anteil an der Kulturarbeit der Ostmark, vor allem in der Fürsorge im Nationalen Frauendienst, hätten die deutschen Frauen. Unter 10 in Posen ehrenamtlich tätigen Frauen sei nur eine Polin, während bei den Nehmenden das Verhältnis umgekehrt sei. Ueberall begegneten die Deutschen trotz allen Entgegenkommens schnöden Undank. Nicht genug, daß deutsches Blut und Eisen den polnischen Staat neu erstehen ließen, fielen uns die Polen durch willkürliche Auslegung des 13. Punktes der Wilsonschen Bedingungen in den Rücken. [Die] Rednerin brachte folgende Entschließung ein:
Wir deutschen Frauen Posens legen Verwahrung ein gegen die Ansprüche, welche die Polen in absichtlich mißverständlicher Auslegung der Wilsonschen Grundsätze auf unsere Heimatprovinz als angeblich polnisches Land mit unzweifelhaft polnischer Bevölkerung vor der Welt erheben.
Heißen Herzens und mit größtem Nachdruck treten wir ein für das uralte Recht an diesem Boden, den deutscher Geist, deutsche Arbeit, deutsche Tatkraft in Jahrhunderten zu einem blühenden deutschen Kulturland gemacht haben.
Wir deutschen Frauen aller Bekenntnisse haben an dieser Kulturarbeit der Männer treu und unermüdlich mitgeschafft. Auch in dem ureigensten Bereich der Frau, auf dem Gebiet der Wohlfahrtspflege und Fürsorge, haben wir zu allen Zeiten opferfreudige Arbeit für alle in Not Geratenen, ohne nach deutscher oder polnischer Herkunft zu fragen, geleistet.
Wir hofften, besonders in der Zeit der Kriegsnot unseres gemeinsamen Vaterlandes dadurch gegenseitiges Verstehen und Zusammengehörigkeitsgefühl wecken zu können.
All unser Bemühen war umsonst. Jetzt in der schweren Schicksalsstunde unseres Volkes verlangen die Polen die Trennung unserer Heimatprovinz vom Deutschen Reiche.
Wir rufen alle Deutschen in Nord und Süd, in Ost und West auf, vor der Welt unser heiliges Recht an unserer deutschen Provinz zu bekunden und zu vertreten.
Deutsch ist das Land, deutsch soll es bleiben!
Die Entschließung fand einmütige Annahme.
Quelle:
Koschminer Anzeiger Nr. 90 / Jg. 31 vom 9.11.
In: http://zefys.staatsbibliothek-berlin.de/kalender/auswahl/date/1918-11-09/27260112/
Bild:
https://de.wikipedia.org/wiki/Elise_Ekke#/media/File:EkkeElise.jpg