Koschminer Kreisblatt: "Es ist noch nicht vorbei! - Wir haben noch Bucheckern!"
Das Amtliche Kreisblatt für Koschmin hinkt den sich überschlagenden Ereignissen in Berlin hinterher und bringt in seiner Samstagsausgabe eine Erklärung des bereits abgesetzten Reichskanzlers v. Baden. Die vornehmlichste Sorge des Blattes gilt denn auch der Ernährungslage. So gelte es die Sammlung von Bucheckern zu optimieren, um den ärgsten Hunger zu bekämpfen. Die leicht giftigen Nüsse müssen vor dem Verzehr geröstet werden. Das Blatt hofft hiermit einen Beitrag zur Aufrechterhaltung der Kriegswirtschaft zu leisten.
Volltext:
Ein Mahnruf.
Seit vier Jahren hat das deutsche Volk die Lastungen und Entbehrungen des Krieges mit bewundernswerter Standhaftigkeit getragen. Jetzt steht der Friede und Aufhebung der Hungerblockade in naher Aussicht. Damit wird auch eine Entspannung unserer Ernährungslage eintreten. Am 1. Dezember wird die Brotration erhöht werden, andere Erleichterungen werden allmählich folgen. Voraussetzung dafür wie überhaupt für die Weiterversorgung der Bevölkerung ist die unbedingte Aufrechterhaltung der Ordnung. Jede Störung verhindert die regelmäßige Lebensmittelzufuhr und bedroht die Großstädte und die Industriebezirke mit unsagbarem Elend. Wir wenden uns an das gesamte deutsche Volk, diese schwere Gefahr abzuwenden.
Berlin, 7. November 1918
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[Amtliche Bekanntmachung] Nr. 1091 Bucheckern
Es hat sich herausgestellt, daß von allen Arten des Bucheckern-Sammelns die des Zusammenkehrens und Aussiebens bei weitem die günstigsten Ergebnisse hat.
Ein Besen, ein Sieb von etwa 1,5 cm Maschenweite und ein zweites Sieb von etwa 0,5 cm Maschenweite bilden hierbei das Arbeitsgerät.
4 bis 5 Arbeiter tun sich zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen. Der erste kehrt die Bucheckern mit dem Laub zusammen, der zweite recht die gröbsten Teile der zusammengekehrten Masse ab, der dritte füllt sie in das gröbere Sieb, rüttelt mit dem vierten zusammen die Bucheckern über dem feineren Sieb in dieses hinein, ergreift dann das feinere Sieb und entfernt aus diesem durch weiteres Rütteln die hineingefallenen kleineren Beimengsel. Der fünfte füllt das so gewonnen Gut in die mitgebrachten Säcke oder Körbe. Endlich wird die gesammelte Masse des Abends am Familientisch verlesen, zweckmäßig auch durch Schwemmen von den tauben Früchten und sonstigen anhaftenden unerwünschten Beimengungen befreit.
Nach festgestellten Sammelergebnissen kommt ein Arbeiter, der die Bucheckern einzeln ausliest, nicht leicht über 8 Liter - 4 kg täglich, während bei dem Zusammenfegen und Sieben sich eine Tagesleistung je Arbeiter von durchschnittlich 30 Liter - etwa 15 kg reiner und getrockneter Bucheln ergab.
Dabei hat diese letztere Gewinnungsart noch den besonderen Vorteil, das Jung und Alt in zweckmäßiger Arbeitsteilung unter Umständen familienweise zusammenwirken können, und daß das Sammeln bis lange in den Vorwinter hinein ohne Schaden für die Gesundheit fortgesetzt werden kann, wenn ein Lesen mit der Hand, das in der Hauptsache doch nur knieend erfolgen kann wegen der Nässe oder Kälte nicht mehr möglich ist.
Koschmin, den 4. November 1918
Kriegswirtschaftsstelle [Landrat Wilhelm] Mosle [später NSDAP, Anm.]
Quelle:
Amtliches Kreisblatt für den Kreis Koschmin Nr. 90 / Jg. 31 vom 9.11.
In: http://zefys.staatsbibliothek-berlin.de/kalender/auswahl/date/1918-11-09/27259006/
Bild:
https://de.wikipedia.org/wiki/Buchecker#/media/File:Beechnuts_roasted.jpg