Demokratisierung des Wahlrechtes zur Überwindung der "Klassenherrschaft"
Der SPD-Reichstagsabgeordnete Otto Hue forderte am 12. Oktober auf einer Versammlung in Essen die Einführung eines neuen, demokratischen Wahlrechtes für die Kommunen und für Preußen insgesamt. Seiner Meinung nach würde man damit auch die Verwaltung reformieren können, was letztlich zu einem freieren und gerechteren Deutschland führen würde.
Volltext:
Die Demokratisierung
Eine Rede des Abgeordneten Hue
In einer sozialdemokratischen Versammlung in Essen erklärte am Sonnabend der Abgeordnete Hue: „Wir stehen am Wendepunkt. Die Lawine geht weiter. Das gleiche Wahlrecht kommt in Preußen. Mit dem gleichen Wahlrecht kommt notwendig eine Reformierung der Verwaltung. Wir müssen aufräumen mit den junkerlichen Landräten und Oberpräsidenten, wie sie auch heißen mögen. Es kommt dazu die absolut notwendige Demokratisierung unseres Gemeindewahlrechts. Da besteht heute noch das Dreiklassenwahlrecht. Fort damit! Und dann kommt die Demokratisierung der Kreistage und Provinziallandtage. Es wird nichts anders übrig bleiben und es ist die Konsequenz der geschehenen Tatsachen, daß wir auf dem Unterbau des preußischen Staates so die Demokratie errichten, daß man sagen kann: Deutschland und Preußen sind die freiesten Staaten der Welt. Und das bringen wir fertig! Das preußische und deutsche Volk wird schon fähig sein, sich selbst zu regieren. Alle, die guten Willens sind und auf Vorrechte verzichten, sind uns willkommen zu gemeinsamer Arbeit. Wir denken nicht daran, eine neue Klassenherrschaft aufzurichten oder die demokratischen Grundsätze zu verleugnen. Keine Vergewaltigung der Minderheiten, keine Ausnahmegesetze und keine Ausnahmebehandlungen sind mehr möglich. Es ist ausgeschlossen, daß die Demokratie eine geistige Unterdrückung probieren wird. Alle Menschen, gleichgeboren, sind ein adliges Geschlecht. Das schreiben wir auf die Fahne des neuen deutschen, des neuen preußischen Staates.“
Quelle:
Original:
Vossische Zeitung, Berlin, 15.10.1918 (Morgenausgabe)