Thomas Mann: "Kauft Kriegsanleihen! Die Franzosen sollen sich nicht so haben"
Zorn über Frankreich bei Thomas Mann, sowie konkrete Sorgen um einen Verlust Elsass-Lothringens. Er plädiert daher dafür weiter Kriegsanleihen zu zeichnen, quasi um die "Demokratie-Würdigkeit" des Volkes unter Beweis zu stellen.
Volltext:
Sonntag den 20. X.
Später auf. Gräßliche Triumphreden Deschanels und Clemenceau's zum Frühstück. Die Morgenröte – das Kleinod der Menschheit. Am Ende ist es besser so. Im Grunde ist ihnen die Pose zerstört durch den Triumph des Rechtes. Man weiß garnicht, was für ein Gesicht Frankreich jetzt eigentlich machen wird, da es kein Unrecht mehr zu beklagen hat. Wir werden über einen neuen Besitzwechsel des Elsaß kein solches Geschrei machen. Obgleich ich höre, daß wir ohne die Lothringen'schen Erzgruben nicht auskommen. – Eliasberg schickte die Aushängebogen eines Kriegsbuches von Mereschkowski. - Sympathie-Kundgebung für die Betrachtungen aus Frankfurt, nebst Drucksachen. – Schickte Erika zu »Progreß«, um das Mt. wiederzuholen. – Eissi seit gestern fieberfrei. – Briefe an August Mayer, Fischer u. a. Kurzer Spaziergang mit Katja, deren Stimmung äußerst labil. - Bertram meldete telephonisch, daß die heutige »Münchener Zeitung« eine ausführliche u. sehr lobende Besprechung der Betrachtungen bringt. – Durchsah die erhaltenen Aufsätze, die anti-liberal, anti-demokratisch, anti-revolutionär sind. - Schrieb einen Satz für die Kriegsanleihe-Propaganda: »Die Beteiligung des ganzen deutschen Volkes an der jetzt aufliegenden Kr. Anl. wird der beste Beweis seiner Reife zur Demokratie und den Feinden ein Zeichen sein, daß das deutsche Volk sich nicht selbst verläßt«. Natürlich ist » Reife zur Demokratie« Unsinn. Aber man muß die Leute bei irgend etwas packen, z. B. an ihrer politischen Eitelkeit. - Herzfeld, zur Taufe nach München gekommen und hier von der Grippe ergriffen, sagte ab. Sehr schade. – Abendspaziergang über das Maximilianeum mit Bauschan. Nach dem Abendessen Br. Frank, der angenehm war und dem ich einige Stücke aus »Herr und Hund« vorlas. Im Bette die Mereschkowski-Bogen zu lesen begonnen.
Quelle:
de Mendelssohn, Peter (Hrsg.), Thomas Mann. Tagebücher 1918-1921, Frankfurt am Main 1979, S. 40 f.
Bild:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kriegsanleihe#/media/File:20_Sammlung_Eybl_Deutsches_Reich._Gerd_Paul._Es_gilt_die_letzten_Schl%C3%A4ge_den_Sieg_zu_vollenden!_Ohne_Jahr,_86_x_59_cm._(Slg.Nr._197).jpg