Februar 1919
1. Februar
Der Weimarer Soldatenrat will den Schutz der Abgeordneten der NV selbst übernehmen und entwaffnet vorübergehend die als Vorkommando entsendete Ehrenkompanie.
Die Reichsregierung erlässt eine Verordnung zur Beschränkung des Aufenthaltes in Weimar während der Tagungsdauer der NV. [PK]
4. Februar
Der Zentralrat der Arbeiter- und Soldatenräte in Berlin überträgt seine Kontrollrechte auf die NV in Weimar. [PK]
5. Februar
Der erste regelmäßige zivile Kurierflugdienst Deutschlands auf der Strecke Berlin–Weimar–Berlin wird in Betrieb genommen, um die Post von Regierung und Parlament zu befördern. [PK]
6. Februar
1. Sitzung der Nationalversammlung 15.15 – 16.26 Uhr
Eröffnungsrede Eberts für die provisorische Reichsregierung: vorrangiges Ziel bisher sei gewesen, das darniederliegende wirtschaftliche Leben wieder in Gang zu bringen, um die materielle Not der Massen zu beenden. Nunmehr sei es an der Zeit, die politische Ausgestaltung der Republik dem gewählten Parlament anzuvertrauen.
Nach einer Rede des Alterspräsidenten Wilhelm Pfannkuch (SPD) erfolgt die Annahme der parlamentarischen Geschäftsordnung, die der des alten Reichstags folgt. Durch Namensaufruf wird die Anwesenheit von 397 Abgeordneten einzeln festgestellt und damit Beschlussfähigkeit. [DNV, Bd. 1, S. 3-13]
7. Februar
2. Sitzung der Nationalversammlung 15.15 – 17.32 Uhr
Verlesung eingegangener Gruß- und Empfehlungstelegramme, erste Urlaubsanträge.
Wahl Eduard Davids (SPD) zum Parlamentspräsidenten. Erste Debatte über den Wahlmodus der Vizepräsidenten. In geheimer Wahl werden die Abgeordneten Constantin Fehrenbach (Z), Conrad Haußmann (DDP) und Hermann Dietrich (DNVP) gewählt. [DNV, Bd. 1, S. 14-22]
3. Sitzung der Nationalversammlung 15.22 – 16.06 Uhr
Verlesung eingegangener Gruß- und Empfehlungstelegramme.
Irritationen über die offensichtliche Manipulation eines Wahlzettels durch den Schriftführer Richard Fischer, die sich gegen die Abgeordnete Lore Agnes (USPD) richtet.
Hugo Preuß (DDP) trägt als zuständiger Staatssekretär des Inneren den Gesetzentwurf über die vorläufige Reichsgewalt vor. [DNV, Bd. 1, S. 23-35]
10. Februar
4. Sitzung der Nationalversammlung 15. 27 – 18.00 Uhr
Ausführliche Beratung des „Gesetzes über die vorläufige Reichsgewalt“ mit Debatte über die Beibehaltung und künftige Rolle der Einzelstaaten, ein von der USPD gefordertes Vetorecht des Zentralrats der Arbeiter- und Soldatenräte, den Wahlmodus für den Reichspräsidenten oder für ein Reichskollegium, geheime oder öffentliche Waffenstillstandsverhandlungen. Nach Klarstellung, dass es sich nur um eine provisorische Übergangsverfassung handelt, stellen viele Abgeordnete ihre Bedenken zurück und stimmen dem Gesetz mit großer Mehrheit zu. Die Abstimmung erfolgt durch Erheben vom Platz für Zustimmung und Sitzenbleiben für Ablehnung. [DNV, Bd. 1, S. 36-84]
11. Februar
5. Sitzung der Nationalversammlung 15.20 – 16.29 Uhr
Der Zentralrat der Arbeiter- und Soldatenräte fordert per Schreiben von der NV die Herstellung des Einheitsstaats ohne Länder; erneut Telegramme mit der Forderung nach den Anschluss Deutsch-Österreichs an das Deutsche Reich sowie Forderung nach besseren Zugverbindungen von Weimar ins Rheinland.
Friedrich Ebert (SPD) wird zum vorläufigen Reichspräsidenten mit 277 von 379 Stimmen (73,1 %) gewählt (bei 51 ungültigen Stimmzetteln). Antrittsrede Eberts mit der Versicherung, er werde als Beauftragter des ganzen Volkes handeln, nicht nur einer Partei. Die NV erhebt sich mit dreifachen Hochrufen auf Volk und Vaterland. [DNV, Bd. 1, S. 85-94]
13. Februar
6. Sitzung der Nationalversammlung 15.17 – 18.14 Uhr
Berufung der neuen Reichsregierung mit Philipp Scheidemann (SPD) als Präsident des Reichsministeriums, seinem Stellvertreter und Reichsminister der Finanzen Eugen Schiffer (DDP), Reichsminister des Auswärtigen Ulrich Graf Brockdorff-Rantzau (pl.), Reichsminister des Innern Hugo Preuß (DDP), Reichsarbeitsminister Gustav Bauer (SPD), Reichswirtschaftsminister Rudolf Wissell (SPD), Reichsernährungsminister Robert Schmidt (SPD), Reichsjustizminister Otto Landsberg (SPD), Reichswehrminister Gustav Noske (SPD), Reichskolonialminister Johannes Bell (Z), Reichspostminister Johann Giesberts (Z), Reichsminister ohne Portefeuille sind Eduard David (SPD), Matthias Erzberger (Z) und Georg Gothein (DDP) (i.e. die sog. „Weimarer Koalition“ aus SPD, DDP und Zentrum).
Regierungserklärung des „Kabinetts Scheidemann“ über Aushandlung eines sofortigen gerechten Friedens, Wiederaufbau des Wirtschaftslebens („Schaffung von Friede und Ordnung, von Brot und Arbeit“), Demokratisierung der Verwaltung, Absage an die revolutionäre Gewalt der USPD u.a.
Erklärung von Reichsminister Erzberger über Schwierigkeiten bei den Waffenstillstandsverhandlungen. [DNV, Bd. 1, S. 95-144]
14. Februar
7. Sitzung der Nationalversammlung 14.22 – 19.05 Uhr
Wahl von Constantin Fehrenbach (Z) zum Parlamentpräsidenten, Erklärung von Reichsaußenminister Graf Brockdorff-Rantzau über seine Verhandlungsgrundsätze für einen Waffenstillstand, vor allem das Bestehen auf das „Wilsonsche Friedensprogramm“; anschließende Debatte über die Kriegsschuldfrage. [DNV, Bd. 1, S. 145-203]
15. Februar
8. Sitzung der Nationalversammlung 14.22 – 19.32 Uhr
Bericht von Reichsfinanzminister Schiffer (DDP) über die Schuldenlast und die katastrophale Finanzlage. Debatte über das Regierungsprogramm und einen notwendigen Nachtrag zum Reichshaushaltsplan 1918 über 25 Milliarden Mark. Scharfe Kritik von Hugo Haase (USPD) am Schießbefehl von Reichswehrminister Noske (SPD) gegen Demonstranten sowie an der brutalen Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg in Berlin.
Das Publikum auf der Galerie wird aufgefordert, sich mit Bekundungen von Beifall oder Missfallen zurückzuhalten. [DNV, Bd. 1, S. 204-294]
15. – 18. Februar
Bamberger Tagung des „Alldeutschen Verbandes“ mit Kampfansage an die neue Republik und Gründung des antisemitischen „Deutschen Schutz- und Trutzbundes“. [UB]
17. Februar
9. Sitzung der Nationalversammlung 14.25 – 14.52 Uhr
Bericht von Reichsminister Erzberger (Z) über die von der Entente erzwungene Unterzeichnung des nunmehr unbefristeten Abkommens zum Waffenstillstand am 16. Februar in Trier sowie den Protest der Reichsregierung gegen ungerechtfertigte Härten. In allgemeiner Betroffenheit wird die Sitzung abgebrochen. [DNV, Bd. 1, S. 295-304]
18. Februar
10. Sitzung der Nationalversammlung 14.20 – 19.40 Uhr
Ausführliche Debatte über einzelne Bedingungen des unterzeichneten Waffenstillstandsabkommens und die Erfüllung der auferlegten Reparationszahlungen; heftige persönliche Angriffe von rechts gegen Reichsminister Erzberger (Z) und seine Verhandlungsführung in Spa. [DNV, Bd. 1, S. 305-403]
19. Februar
11. Sitzung der Nationalversammlung 14.19 – 18.39 Uhr
Fortsetzung der Debatte über die Erfüllung des Waffenstillstandsabkommens. Beratung über den Nachtrag zum Reichshaushaltsplan 1918 mit Vorschlägen gegen die Wohnungs- und Wirtschaftsnot. Mit Marie Juchacz (SPD) spricht erstmals eine Frau vor einem deutschen Parlament. Inhalt der neuen Frauenfrage sei nun die rechtliche, soziale und wirtschaftliche Gleichstellung des weiblichen Geschlechts. [DNV, Bd. 1, S. 404-476]
20. Februar
12. Sitzung der Nationalversammlung 14.26 – 21.42 Uhr
Fortsetzung der Beratung und Annahme des dringenden Nachtrags zum Reichshaushaltsplan 1918 über 25 Milliarden Mark.
Debatte über den abgeschlossenen Waffenstillstand: die Kriegsschuldfrage, die Freilassung der Kriegsgefangenen, das Friedensversprechen des US-Präsidenten Wilson, die deutschen Gebietsverluste, den Statutenentwurf für den geplanten Völkerbund.
Streit zwischen der Abgeordneten Luise Zietz (USPD) und Reichswehrminister Noske (SPD) über die Entmachtung des Weimarer Soldatenrats sowie Angriffe der USPD gegen Noske wegen der militärischen Besetzung von Gotha. [DNV, Bd. 1, S. 477-594]
21. Februar
In München wird Ministerpräsident Kurt Eisner (USPD) ermordet. [VU]
13. Sitzung der Nationalversammlung 14.26 – 18.36 Uhr
Gedenken an den ermordeten bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner. Das Gesetz über eine monatliche Aufwandsentschädigung für die Abgeordneten von 1.000 Mark bei vollständiger Sitzungsteilnahme wird ohne Debatte angenommen.
Reichsministerpräsident Scheidemann (SPD) verteidigt sich gegen den Vorwurf, sich nicht genug für einen gerechten Frieden bei US-Präsident Wilson eingesetzt zu haben und verweist auf die Gefahr des Zusammenbruchs der Republik durch anhaltende Aufstände, besonders im rheinisch-westfälischen Industriegebiet.
Die NV billigt den Arbeitsplan der Reichsregierung und spricht ihr das Vertrauen aus. [DNV, Bd. 2, S. 5-32]
24. Februar – 10. März
Generalstreik in Mitteldeutschland (bes. Raum Halle-Leipzig). [PK]
24. Februar
14. Sitzung der Nationalversammlung 14.21 – 16.26 Uhr
Reichsminister des Innern Hugo Preuß (DDP) stellt seinen „Entwurf einer Verfassung für das Deutsche Reich“ vor, schlägt schwarz-rot-gold als neue Reichsfarben vor, erläutert die strittige Kompetenzabgrenzung zwischen Reich und Gliedstaaten, besonders mit Preußen („Problem Preußen“), die Stellung und Rechte eines vom Volk direkt gewählten Reichspräsidenten als Staatsoberhaupt, die Ministerverantwortlichkeit gegenüber dem Parlament. Außenpolitik, Militärwesen, Verkehrs- und Postwesen, Finanzwesen gelten nun als Reichskompetenz, Kirche und Schule bleiben Ländersache. [DNV, Bd. 2, S. 33-55]
25. Februar
15. Sitzung der Nationalversammlung 10.19 – 13.38 Uhr
Beratung des „Gesetzes über die Bildung einer vorläufigen Reichswehr“ aus bestehenden Freiwilligenverbänden und neu anzuwerbenden Freiwilligen (nach Auflösung des kaiserlichen Heeres). Debatte u.a. über die Rolle des alten Offizierskorps, der bestehenden Volkswehren und der Soldatenräte im neuen Heer. [DNV, Bd. 2, S. 56-77]
27. Februar
16. Sitzung der Nationalversammlung 10.20 – 13.25 u. 15.48 – 19.25 Uhr
Beratung und Annahme des Reichswehrgesetzes sowie des Notgesetzes für die Vertriebenen aus dem besetzten Elsass-Lothringen.
Beratung des Übergangsgesetzes, das die bis auf weiteres fortdauernde Gültigkeit kaiserlicher Gesetze (vor dem 9. November 1918), der Gesetze der Revolution sowie der Verordnungen seit dem 10. Februar 1919 regelt. [DNV, Bd. 2, S. 78-121]
28. Februar
17. Sitzung der Nationalversammlung 10.21 – 13.37 u. 16.27 – 19.14 Uhr
Die dritte Lesung des Übergangsgesetzes wird vertagt zu Gunsten der ersten Beratung des „Entwurfs der künftigen Reichsverfassung“ (allgemeiner Teil). Debatte über das Verhältnis des Reichs zu den Bundesstaaten („Problem Preußen“), die Befugnisse des Reichspräsidenten, die Reichsfarben, die Sozialisierung von Schlüsselindustrien u.a.m. [DNV, Bd. 2, S. 122-148]