März 1919
1. März
18. Sitzung der Nationalversammlung 10.20 – 13.00 u. 15.45 – 18.15 Uhr
Der parteiübergreifende gemeinsame Antrag aller weiblichen Abgeordneten, die Alliierten um Beendigung der Hungerblockade und Freilassung der 800.000 deutschen Kriegsgefangenen zu bitten, wird einstimmig angenommen. Antrag auf Wiederherstellung der deutschen Kolonien unter Berufung auf das Versprechen von US-Präsident Wilson.
Beratung und Annahme des „Gesetzes über das Verbot des Agiohandels mit deutschen Banknoten und Darlehnskassenscheinen“ sowie des „Gesetzes über die Einsiegelung von Schriften, Drucksachen, Wertpapieren und Zahlungsmitteln beim Grenzübertritt nach dem Ausland“.
Einstimmige Annahme des „Gesetzes zur Durchführung der Waffenstillstandsbedingungen“ ohne Debatte. Beratung und einstimmige Annahme des „Gesetzes zum Schutz gegen die Folgen der Verkehrserschwerung“ sowie des „Gesetzes über die Vergütung von Leistungen für die feindlichen Heere im besetzten Reichsgebiet und über die vereinfachte Abschätzung von Kriegsleistungen für das deutsche Heer“. Beratung und Annahme des Übergangsgesetzes. [DNV, Bd. 2, S. 149-180]
2. – 6. März
Gründungskongress der III. Internationale (Komintern) in Moskau. [EK]
3. – 8. März
Generalstreik und bewaffnete Kämpfe in Berlin. [PK]
3. März
19. Sitzung der Nationalversammlung 10.21 – 12.54 u. 16.22 – 19.15 Uhr
Zur symbolischen Begrüßung der aus Ostafrika nach Berlin heimgekehrten Kolonialtruppen erheben sich die Abgeordneten.
Fortsetzung der Beratung des Verfassungsentwurfs mit einer Verteidigung von Reichsinnenminister Preuß (DDP) gegen Kritik, v.a. hinsichtlich der Stellung des Reichspräsidenten und der Stärkung der Reichsgewalt gegenüber den Einzelstaaten, anschließend Debatte über das Übergewicht Preußens, die Rolle des deutschen Föderalismus, das Verhältniswahlrecht u.a. [DNV, Bd. 2, S. 181-213]
4. März
20. Sitzung der Nationalversammlung 15.18 – 18.06 Uhr
Fortsetzung der Beratung des Verfassungsentwurfs mit einer Verteidigung des Parlamentarismus durch Gustav Stresemann (DVP) und Reichsminister David (SPD) gegen Kapitalismuskritik und Rätegedanken der USPD. Verweisung der Vorlage an den Verfassungsausschuss unter Vorsitz von Conrad Haußmann (DDP) zur Überarbeitung. [DNV, Bd. 2, S. 214-230]
5. März
21. Sitzung der Nationalversammlung 15.32 – 20.29 Uhr
Auf Anfrage der DNVP Erklärung von Reichsminister Erzberger (Z) über die Anstrengungen der deutschen Waffenstillstandskommission bei der Interalliierten Kommission, die nach wie vor kriegsähnlichen Zustände an der ehemaligen Front in Polen (Ostmark) zu befrieden. Anschließend Debatte über die „polnische Frage“, d.h. polnische Gebietsansprüche, Ausweisung deutscher Zivilisten, Lebensmittelknappheit, Rückzug der deutschen Truppen, „Bolschewismusgefahr“ sowie die verfehlte „Polenpolitik“ des Kaiserreichs. [DNV, Bd. 2, S. 231-256]
7. März
22. Sitzung der Nationalversammlung 15.36 – 19.32 Uhr
Beratung der Entwürfe für ein Sozialisierungsgesetz zur Überführung von Bodenschätzen in „Gemeinwirtschaft“ sowie das analoge „Gesetz über die Regelung der Kohlenwirtschaft“. Erklärung von Reichswirtschaftminister Wissell (SPD) über „Sozialisierung“, verstanden als zentralisierte „Selbstverwaltung“ durch einen „Reichskohlerat“ in gemeinschaftlichem statt privatem Interesse; anschließend Debatte über die „Sozialisierungsfrage“. [DNV, Bd. 2, S. 257-282]
8. März
23. Sitzung der Nationalversammlung 10.18 – 13.35 u. 15.45 – 20.07 Uhr
Fortsetzung der Beratung über die Gesetzentwürfe zur Sozialisierung sowie zur Regelung der Kohlenwirtschaft als Grundsatzdebatte über Form und Zweck von „Sozialisierung“, ausgelöst durch den Vorwurf der „Zwangswirtschaft“ von Alfred Hugenberg (DNVP) gegen die Pläne der Reichsregierung. Verweisung beider Gesetzesentwürfe an den Haushaltsausschuss. [DNV, Bd. 2, S. 283-323]
9. März
Schießbefehl des Reichswehrministers Gustav Noske; Märzmassaker in
Berlin [VU]
10. März
24. Sitzung der Nationalversammlung 14.25 – 20.36 Uhr
Forderung von DDP und DNVP nach Beendigung der Zwangsbewirtschaftung von Lebensmitteln. Erklärung von Reichsernährungsminister Robert Schmidt (SPD) zur akuten Versorgungskrise (bes. bei Fleisch), dennoch Zugeständnis einer zumindest teilweisen Preisfreigabe, nicht aber für Grundnahrungsmittel. Bericht des Volkswirtschaftsausschusses über die Situation von Arbeitsmarkt und Landwirtschaft. Debatte über das Recht auf Streiks im Angesicht der „Brotnot“. [DNV, Bd. 2, S. 324-364]
11. März
25. Sitzung der Nationalversammlung 10.18 – 13.40 u. 15.20 – 17.30 Uhr
Gedenken an den in Halle a. S. ermordeten Oberstleutnant v. Klüber, der mit der militärischen Sicherung der NV in Weimar beauftragt gewesen ist.
Anfrage der DNVP über die Zurückdrängung des Religionsunterrichts im Schulwesen einzelner Staaten löst Grundsatzdebatte über die Trennung von Kirche und Schule aus, obwohl dies eigentlich Sache der Einzelstaaten ist. [DNV, Bd. 2, S. 365-383]
12. März
26. Sitzung der Nationalversammlung 14.32 – 20.35 Uhr
Beratung des Sozialisierungsgesetzes mit Bericht des Haushaltsausschusses über Konsequenzen aus einer Sozialisierung, z.B. für die persönliche Freiheit. Debatte um „angemessene Entschädigungszahlungen“, „Verstaatlichungen“ in der Landwirtschaft mit Vorwurf des „Kommunismus“ und „Kollektivismus“ durch die DVNP an die Reichsregierung. [DNV, Bd. 2, S. 384-412]
13. März
27. Sitzung der Nationalversammlung 10.21 – 13.05 u. 14.19 – 17.28 Uhr
Vor der Tagesordnung berichtet Reichswehrminister Noske (SPD) – unter Applaus von rechts und Zischen von links – über die militärische Niederschlagung des Gewerkschaftsstreiks und Arbeiteraufstandes in Berlin.
Beratung und Annahme des „Gesetzes betr. Verkehr mit russischen Zahlungsmitteln“, das den Rubel (zur Abgrenzung gegen das revolutionäre Russland) als Zahlungsmittel verbietet, ausgenommen ist nur die Reichsbank. Beratung und Annahme des Sozialisierungsgesetzes sowie des „Gesetzes über die Regelung der Kohlenwirtschaft“ nach langer Debatte über die Staatsaufsicht, die Zusammensetzung des „Reichskohlerats“ und des ihn unterstützenden Sachverständigenrats.
Eine Regierungserklärung von Reichsministerpräsident Scheidemann (SPD) gegen die rege Propaganda Frankreichs zur „Loslösung rheinischer Gebietsteile vom Reich“ findet allgemeine Zustimmung. [DNV, Bd. 2, S. 413-457]
25. März
28. Sitzung der Nationalversammlung [k.A.] – 18.36 Uhr
Beantwortung verschiedener Anfragen durch Beauftragte der Reichsregierung (Auswahl): gegen die deutschfeindliche Propaganda in der von den Franzosen besetzten Pfalz soll Protest bei der Interalliierten Kommission eingelegt werden; die Vorzensur durch den Arbeiter- und Soldatenrat in Augsburg gegen die dortige Presse wird für hinfällig erklärt; an der schlechten Versorgung der besetzten Rheinlande trifft die Reichsregierung keine Schuld; mögliche Ausschreitungen des Landjägerkorps unter Generalmajor Maerker in Halle werden untersucht; der Schießbefehl ohne Vorwarnung gegen alle Waffenträger während des Aufstands in Berlin ist aufgehoben, ebenso das Verbot der linken Zeitungen „Freiheit“ und „Republik“; der Beschluss des Zentralrats der Arbeiter- und Soldatenräte über Wahlen zum Zweiten Rätekongress widerspricht nicht der Wahl von Bauern- und Landarbeiterräten nach der Wahlordnung des Reichsernährungsministeriums; der Leipziger Soldatenrat hat die Rückgabe der für den Generalstreik ausgeteilten Waffen zugesagt; der Wiederaufbau während des Krieges stillgelegter oder geschwächter Mittel- und Kleinbetriebe wird durch die Reichsregierung unterstützt, u.a. durch eine „Hilfskasse wirtschaftliche Unternehmungen“. [DNV, Bd. 2, S. 458-492]
26. März
29. Sitzung der Nationalversammlung 15.18 – 17.53 Uhr
Rede von Reichsministerpräsident Scheidemann (SPD) über die sich abzeichnenden harten Friedensbedingungen der Entente und Forderung, die Kriegsschuldfrage solle ein internationaler Gerichtshof entscheiden.
Fortsetzung und Abschluss der Debatte über Maßnahmen zum Wiederaufbau während des Krieges stillgelegter oder geschwächter Mittel- und Kleinbetriebe. Beratung und einstimmige Annahme des „Gesetzes über Besteuerung der Reichsbank für das Jahr 1918“ sowie des „Gesetzes über Eintritt des Freistaats Württemberg in die Biersteuergemeinschaft“. [DNV, Bd. 2, S. 493-512]
27. März
30. Sitzung der Nationalversammlung 15.21 – 20.19 Uhr
Gemeinsame Beratung des „Gesetzes betr. die Feststellung eines vierten Nachtrags zum Reichshaushaltsplane“ 1918 und des „Gesetzes betr. die vorläufige Regelung des Reichshaushaltsplanes und des Haushalts der Schutzgebiete für das Rechnungsjahr 1919“. Die Haushaltsdebatte, insbes. über den Etat des Reichspräsidenten von 100.000 Mark monatlich, wird zum politischen Streit über die Bekämpfung der bürgerkriegsähnlichen Zustände in Berlin und Halle a.S., als deren „geistiger Brandstifter“ die USPD bezeichnet wird, sowie über die Rolle von General Ludendorff im Krieg und als Gegner der Republik. Die beiden Gesetzesentwürfe werden in den Haushaltsausschuss überwiesen. [DNV, Bd. 3, S. 5-44]
28. März
31. Sitzung der Nationalversammlung 15.21 – 18.19 Uhr
Wahl von 6 Abgeordneten in die Reichschuldenkommission. Beratung und Annahme des „Gesetzes über Bildung einer vorläufigen Reichsmarine“ nach kurzer Debatte um Freiwilligenanwerbung und Wehrpflicht.
Bericht des Haushaltsausschusses über die „Verordnung zur Sicherung der Acker- und Gartenbestellung“, die nach ausführlicher Debatte über das notwendige Ausmaß von Zwangsmaßnahmen angenommen wird. [DNV, Bd. 3, S. 45-73]
29. März
32. Sitzung der Nationalversammlung 10.21 – 13.05 Uhr
Bericht des Haushaltausschusses über das „Gesetz betr. die Feststellung eines vierten Nachtrags zum Reichshaushaltsplane“ 1918 und Annahme des Gesetzes nach Debatte, insbes. über die Höhe der Bezüge des Reichspräsidenten und der Reichsminister. Beratung über die Etats des neuen Reichsarbeitsministeriums und Reichsschatzministeriums. Bericht des Haushaltausschusses über das „Gesetz betr. die vorläufige Regelung des Reichshaushaltsplanes“ 1919 und Annahme des Gesetzes nach Debatte über fortgesetzte Geldzahlungen an demobilisierte Truppen, neue Beamtenstellen im Reichspostministerium und Gewährung einer Kriegsteuerungszulage für staatliche Renten- und Unterstützungsempfänger. [DNV, Bd. 3, S. 75-104]
31. März – 28. April
Generalstreik der Bergarbeiter im Ruhrgebiet. [PK]