Projekt 1923-2023 gestartet
Die liberale Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit, sie ist kein natürlicher Zustand. Sie hängt von Voraussetzungen ab, die sie selbst nicht schaffen kann: von engagierten Menschen, die freiwillig die Übereinkunft treffen, ihrem Zusammenleben Regeln zu geben, Konflikte friedlich und angemessen auszutragen, Macht zu begrenzen und Minderheiten zu schützen. Die liberale Demokratie ist ständig bedroht. Es gibt Kräfte, die andere Gesellschaftsmodelle anstreben, die diktatorische, autoritäre Ordnungen etablieren wollen. Sie nutzen für ihre Angriffe jene Freiheitsrechte, die sie gern abschaffen möchten. Die liberale Demokratie ist daher verwundbar, sie kann zerstört werden. Gesellschaftliche Krisen erhöhen das Gefährdungspotential. Sie bilden den Nährboden für Hass und Hetze, für Ausgrenzung und Rufe nach radikalen Lösungen. In solchen Situationen geraten Demokratien unter Stress. Und dann ist es wichtig, dass sie aktiv verteidigt werden.
Im Jahr 1923 herrschte in Deutschland eine solche Krisensituation. Die junge Weimarer Republik kämpfte mit dem schweren Erbe aus Kaiserreich und Weltkrieg. Der Streit um Reparationen und Kriegsschuld, die Hyperinflation, harte Verteilungskämpfe und ein Kulturkampf um Tradition und Moderne polarisierten die Gesellschaft. Das machten sich radikale Gegner der Demokratie zunutze. Sie säten Zwietracht, hetzten gegen die Verantwortlichen der Republik und schreckten auch vor Gewalt nicht zurück. Ihnen war jedes Mittel recht, um die liberale Demokratie zu destabilisieren und zu zerstören. Rechtsextreme Kreise träumten von einer Militärdiktatur, in Küstrin putschte die Schwarze Reichswehr, in München Adolf Hitler und Erich Ludendorff. Auch Linksextreme sahen ihre Zeit gekommen, in Moskau wurde der „Deutsche Oktober“ geplant, in Hamburg der Umsturz versucht. Doch all diese Angriffe konnten abgewehrt werden. Engagierte Demokratinnen und Demokraten verteidigten die junge Republik und wiesen ihre Gegner in die Schranken. Mit beherzten, auch riskanten und umstrittenen Entscheidungen konnten sie die Krisen überwinden und legten damit den Grundstein für die relative Stabilität der „Goldenen Zwanziger“.
Wenngleich die Bedrohungslage für die Bundesrepublik heute weniger akut erscheint, gilt auch 100 Jahre später: Die liberale Demokratie ist gefährdet. Und die Faktoren, die ihre Zerstörung herbeiführen können, wirken immer noch. Unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung müssen wir daher tagtäglich verteidigen. Dabei helfen die Erfahrungen früherer Generationen, dabei helfen die Erfahrungen der Weimarer Republik, die Erfahrungen jener Menschen, die 1923 die Demokratie erfolgreich verteidigten – trotz starker Gegner und tiefer Krisen. Das Projekt 1923-2023 möchte diesen Erfahrungsschatz sichtbar und nutzbar machen für die Gegenwart: mit Lesungen und Vorträgen, Ausstellungen und Diskussionen, künstlerischen Interventionen und politischen Aktionen.
Nähere Informationen dazu gibt es unter www.1923-2023.de