Der "jüdische" Antisemit Arthur Trebitsch
Die Verbandszeitschrift des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens (CV) berichtet in ihrer April-Ausgabe über die Aktivitäten Arthur Trebitschs - Sohn eines österreichisch-jüdischen Industriellen. Der Wiener Trebitsch war in antisemitischen Zirkeln politisch sozialisiert worden und hatte enge Kontakte zu dem ebenfalls jüdischstämmigen Otto Weininger, der mit einem radikal antisemitischen und antifeministischen Werk berühmt geworden war. Trebitsch förderte die völkische Bewegung in Deutschland auch finanziell und wurde als Autor u.a. von Adolf Hitler geschätzt.
Volltext:
Die „Fixationsbeweglichkeit“ eines jüdischen Antisemiten
Ein Oesterreicher, Arthur Trebitsch, jüdischer Abstammung, hat in Berlin einen Vortrag über das Thema: „Deutscher Geist oder Judentum“ gehalten. Nach den kärglichen Berichten, die über ihn erschienen sind, waren es ziemlich krause Gedanken die Trebitsch in philosophischer Aufmachung den Zuhörern vorsetzte. Er hat sich eine Theorie zurechtgelegt, die den sehr alten Gegensatz zwischen schaffenden und konsumierenden beziehungsweise ausnutzenden Menschen in die Terminologie: Fixation und Fixationsbeweglichkeit umsetzt, wodurch die Sache ein originales Aussehen erhält. Noch originaler, vielmehr origineller ist die Nutzanwendung dieser Fixationstheorie auf Germanen und Juden. Die Germanen sind die fixierenden, die schaffenden, die primären Geister, die Juden die Fixationsbeweglichen, die gut Zählenden, die Erraffenden. Nach dem Bericht der „Täglichen Rundschau“, die aus begreiflichen Gründen dem Herrn Trebitsch fast eine Spalte ihrer Zeitung widmet, sagte der Redner u.a.: „Verjudet, das ist entlebendigt. Die größte Sünde des Geistes der Fixationsbeweglichkeit ist, daß er das nimmt, was der andere schafft.“ Es sei begreiflich, daß der Jude zur Revolution neigt, während der schaffende Geist Liebe zur ruhigen Entwicklung hat. Tr[ebitsch] vergleicht den Verfall des Römertums mit dem Zusammenbruch des Deutschtums, das notwendigerweise durch das Eindringen der Juden zugrunde gehen müsse.
Adele Kaufmann hat sich (in der „Großen Glocke“) der Mühe unterzogen, Herrn Trebitsch ernsthaft zu widerlegen. Wir entnehmen ihren Ausführungen:
„Die Geschichte ist nicht sein Gebiet. Sonst würde er den für seine Betrachtungen grundlegenden Vergleich nicht gemacht haben, daß Deutschland durch die Juden untergehen muß, wie einst Rom durch die orientalischen Sklaven! Diese orientalischen Völker waren Barbaren, die hemmend auf Kultur und Sittlichkeit wirkten – wer wagt das von uns Juden zu behaupten? Außerdem aber waren jene „Orientalen“ zum großen Teil Germanen. Und der dritte Fehler in diesem einen Gedanken ist, daß das römische Weltreich nur an dieser Einwirkung zugrunde gegangen sein soll. Wer nur ein wenig die Geschichte kennt, der weiß, wie viele verschiedene Faktoren bei dem Verfalle Roms mitgewirkt haben. – Wie bei diesem unglücklichen Vergleich, so geht Trebitsch bei allen grundlegenden Gedanken von falschen Voraussetzungen aus und kommt infolgedessen zu ebenso falschen Resultaten. Der Hauptfehler in seinem Gedankengang ist die geradezu naive Einseitigkeit. Er wertet die Völker einzig und allein nach der Art, wie sich der Denkart im Gehirn des Individuums seiner (falschen) Theorie nach vollzieht, nicht aber nach der sittlichen Kraft ihres Denkens.
Weil es ein Jude ist, der hier zum Triumph für alle deutschnational-antisemitischen Hetzer gegen die Juden spricht, kann nur die Rechtfertigung eines Christen unsere Gegner überzeugen. Darum lassen wir den bekannten Psychologen Prof. Friedr[ich] Wilhelm Förster für uns sprechen, der in einem seiner Werke sagt: „Gewisse moderne Schriftsteller haben sich bemüht, die arische Rasse als Quelle aller höheren Kultur und allen semitischen Einfluß als Verfälschung und Vorbereitung zum Niedergang hinzustellen – gerade die arische Rasse aber mit ihrer gewiß reichen intellektuellen und künstlerischen Begabung bedarf durchaus der gewaltigen moralischen Energie der jüdischen Rasse, ihrer Leidenschaft für die Gerechtigkeit, ihrer außerordentlichen geistigen Konzentrationskraft. Gerade der Untergang der antiken Welt in griechischer Schöngeisterei und Sophistik und in römischer Machtanbetung und das Versinken des indischen Ariertums in bloße weltabgewandte Spekulation zeigt am besten, wie unentbehrlich hier der jüdische Genius war, um die Einseitigkeit und Gefahren der arischen Begabung auszugleichen. Was wären die Nationen des Westens ohne jenes mächtige semitische Kulturelement, das durch die Bildungsmittel der religiösen Erziehung jahrhundertelang auf ihre Psyche gewirkt hat!“
Wir würden auf die krausen Ausführungen des Herrn Trebitsch nicht zurückgekommen sein, wenn er nicht am 20. März seinen Vortrag wiederholt hätte. An diesem zweiten, schlecht besuchten Abend entpuppte sich Herr Trebitsch vollends als ein kleiner Gernegroß, beinahe als ein zweiter [Artur] Dinter. Er ärgert sich, daß sein Vortrag in der Presse nicht genügend berücksichtigt worden sei und besitzt anscheinend nicht die Erkenntnis, daß sich gegenwärtig in Deutschland, in ganz Europa viel wichtigere Dinge abspielen, als seine fixen Fixations-Ideen, und daß die Presse viel dringendere Angelegenheiten aus Raummangel nicht besprechen kann. Nach antisemitischen Muster deutet er (nach Bericht, der uns über die zweite Veranstaltung zuging) darauf hin, daß die Presse gewisse Themen, aus denen Wahrheit spricht, unterdrücke, und daß es „eine große Macht“, die Juden gebe, die das Zustandekommen solcher Vorträge verhindere. Er hielt es für nötig, die Zuhörer von seiner Laufbahn zu unterrichten und ihnen mitzuteilen, daß er ein Drama geschrieben habe, das der Presse zugegangen, aber nicht besprochen worden sei! (Das geschieht sehr vielen!) Er habe versucht, das Stück bei Reinhardt am Deutschen Theater anzubringen, aber ohne Erfolg. (Das geschieht sehr vielen!) „Das ist Judenbetrieb,“ ruft Herr Trebitsch; er, Trebitsch, sei für immer tot in der Judenpresse.
Die [rechtgerichtete, Anm.] „Deutsche Tageszeitung“ hatte zu seinem Vortrag geschrieben: „Seine (Trebitschs) Ansicht, daß er Deutscher ist, in Ehren, aber das müsse erst bewiesen werden“, worauf Trebitsch zürnend erklärte, wer es noch einmal wage, ihn als Juden zu bezeichnen, der habe zu gewärtigen, von ihm so behandelt zu werden, wie jemand, der ihn grob beleidigt habe. Und Herr Trebitsch bekam es fertig, die Annahme auszusprechen, daß auch hinter diesem Artikel der „Deutschen Tageszeitung“ die Juden steckten! Man sieht: ein armer, kranker Mann. Bezeichnend für den Größenwahn dieses Herrn, der uns bis dahin gänzlich unbekannt war, ist die Bemerkung: Durch den Umstand, daß sein Vortrag, wenn auch von einer nur kleinen Zahl von Zuhörern, zustande kommen konnte, sei das Judentum in seiner Macht gebrochen. Und ferner: Er gebe zu, ein reicher Mann zu sein; er glaube, es werde den Juden schlecht gelingen, ihm selber beizukommen, sie werden sich aber an seinem Bruder rächen. – Herr Trebitsch erstrebt anscheinend die Rolle eines Märtyrers, die die „jüdische“ Presse, durch Angriffe ihm verschaffen soll. Trotz der Gefahr, Herrn Trebitsch hierbei behilflich zu sein und von ihm in öffentlichen Vorträgen jüdischer Rachsucht bezichtigt zu werden, haben wir diesen kleinen Aufsatz veröffentlicht, weil das Porträt des nichtjüdischen Juden Arthur Trebitsch im Raritätenkabinett abnormer Antisemiten nicht fehlen darf.
Quelle:
Im Deutschen Reich H. 4 / Jg. 25 (1919), S. 176-178.
In: http://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/titleinfo/2355484
Bild:
https://de.wikipedia.org/wiki/Arthur_Trebitsch#/media/File:Arthur_Trebitsch.jpg