Wally Zepler: "Hochschullehrer und Revolution"
Die Frauenrechtlerin Wally Zepler schreibt über die Hochschullehrer und deren Situation nach dem Krieg. Sie kommentiert die Vorschläge ihres Parteigenossen Leo Arons, reichsweit bekannt durch die 'Lex Arons' von 1898, worin eine Mitgliedschaft in der SPD mit dem Hochschuldienst für unvereinbar erklärt wurde, wie mit der neuen Situation umzugehen sei und wollte diejenigen Professoren vereinigen, die sich ganz mit dem neuen Staat identifizieren können. Sein Vorstoß scheiterte jedoch an der Haltung der Mehrheit der Berliner Professorenschaft. Doch immerhin - so Zepler - sei ein Grundstein für die zukünftige Reform der Universitäten gelegt.
Volltext:
Am 11. November, also in den allerersten Revolutionstagen, forderte Genosse Leo Arons in einem in der Presse veröffentlichten Offenen Brief an Rektor und Senat der Universität Berlin die gesamten geistigen Kräfte der Nation auf sich unter Führung der Universitäten und sonstigen Hochschulen in zielbewußter Organisation, zusammenzuschließen und sich der neuen Regierung zur Verfügung zu stellen. Als Vertreter dürften »nur solche Männer und Frauen gewählt werden, die erklären sich ganz auf den Boden der deutschen Republik zu stellen. Die gleiche Einladung sollte die Berliner Universität [die als Einberuferin des die Organisation konstituierenden Kongresses fungieren sollte] an die Hochschulen der deutschösterreichischen Lande ergehen lassen. Der Hauptgegenstand der Beratung ist: »Wie können die geistigen Kräfte der Nation am besten für die Neugestaltung von Großdeutschland nutzbar gemacht werden?« Der Aufforderung folgte sofort eine Reihe von Zuschriften aus Universitätskreisen, von denen Arons mehrere, besonders charakteristische in einer besondern Broschüre zusammenstellt (Universitäten heraus! /Berlin, Verlag der Sozialistischen Monatshefte/). Ein, wie Arons schreibt, von ihm besonders hochverehrter Professor sagt da unter anderm: »Ihre Stimme wird jetzt auf beiden Seiten, auf der Seite der Vergangenheit wie auf der Seite der Zukunft, sehr eindrucksvoll wirken, obwohl es für diese Wirksamkeit nicht günstig ist, eigentlich auch nicht nötig war, daß Sie das Bekenntnis zur Republik ausdrücklich verlangten.« In der Antwort weist Arons darauf hin, daß sich sein Aufruf an eine Korporation gewandt habe, »deren Mitglieder einst von autoritativer Seite als Leibgarde der Hohenzollern bezeichnet wurden, ohne daß ein Widerspruch aus ihrer Mitte erfolgte«. In diesem Antwortbrief deutet Arons auch in aller Kürze einige der bedeutendsten und umfassendsten geistigen Zukunftsaufgaben des neuen Staatswesens an: die Schaffung neuer Formen, die einer Verflachung des Geistes bei der bevorstehenden Trennung von Kirche und Staat entgegenarbeiten können, den Aufbau der Einheitsschule usw. Trotz der allgemeinen Teilnahme, der Arons' Anregung begegnete, scheiterte vorläufig die Ausführung, augenscheinlich nicht allein an der bureaukratischen Schwerfälligkeit sondern vor allem an der Verschwommenheit und Unselbständigkeit der Anschauungen, besonders unter den ordentlichen Professoren. Am 17. November fand eine Versammlung des gesamten Lehrkörpers der Berliner Universität statt, die mit der Annahme einer von Troeltsch eingebrachten, gänzlich farblosen Resolution endete. Ein anderer, in der Broschüre mitgeteilter Resolutionsvorschlag, der dem Geist des Aronsschen Aufrufs entsprach, gewann nur eine kleine Zahl von Stimmen. Er erklärte es »als Aufgabe und Pflicht der deutschen Hochschulen in der heraufziehenden neuen Zeit nachdrücklichst für die idealen Interessen, für das Wohl des ganzen Volkes und für die Förderung und Ausgestaltung der Völkergemeinschaft einzutreten« und verlangte, daß sich die Universitäten »ausdrücklich auf den Boden der durch die Revolution geschaffenen deutschen Republik« stellen sollten. Dieser Ausgang der Konferenz braucht weiter nicht zu überraschen. Man wird aber jetzt anfangen müssen dahin zu arbeiten, daß die deutschen Universitätslehrer wieder den Anschluß an wirkliche Geistigkeit ❮und damit auch an das politische Schaffen❯ finden. Es sollte, wie Arons' nachdrückliche und gar nicht genug zu beherzigende Mahnung lautet, »als Pflicht der Universitäten anerkannt werden ihre Kräfte ganz in den Dienst der neuen Entwickelung von Großdeutschland zu stellen, nicht durch Redenhalten sondern durch ernste Mitarbeit«.
Quelle:
Zepler, Wally, Geistige Bewegung, in: Sozialistische Monatshefte, 22:20 (1918), S. 1143.
In: http://library.fes.de/sozmon/pdf/1918/1918-12-10.pdf
Bild:
https://de.wikipedia.org/wiki/Leo_Arons#/media/File:Leo_Arons.jpg