DAZ: Schaut auf den Osten des Reiches!
Während im Reich gewählt wurde, ging im Osten der Krieg weiter. Aus dem Posener Land berichtet die Deutsche Allgemeine Zeitung, dass polnische Verbände bis auf wenige Kilometer an die Oder heranrückten und somit fast die ganze Provinz unter ihre Kontrolle gebracht haben. Auch in Oberschlesien versuchte die Regierung in Zusammenarbeit mit den dortigen A.-&S.-Räten einen Abfall der kohlereichen Provinz zu verhindern. In Ostpreußen wiederum werden zur selben Zeit Freiwilligenverbände (die später sog. Freikorps) zur Verteidigung der Grenze ausgehoben. Tatsächlich stand dieses Argument im Vordergrund der Werbung um neue Freiwillige und weniger ein möglicher Einsatz im Innern.
Volltext:
Die Polen im Anmarsch auf Züllichau
Die Polen haben auf der Strecke Züllichau-Bomst den Eisenbahnkörper beschädigt. Sie haben stellenweise die Schienen von den Schwellen gerissen, so daß die Züge nur noch bis Züllichau verkehren können.
Amtlich. Gestern nachmittag sprengten polnische Banden die Bahn- und Eisenbahnbrücke südlich Netzwalde. Die Nacht verlief ruhig.
[…]
Das gefährdete Ostpreußen.
Von zuständiger Seite wird mitgeteilt: Während bis vor kurzem die Gefahr des Vordringens der bolschewistischen Truppen unterschätzt wurde, werden neuerdings aus durchsichtigen Gründen von russischer Seite übertriebene Gerüchte über angebliche Millionenheere verbreitet, die gegen unsere Grenzen marschieren sollen. Davon ist keine Rede. Die Linie Riga-Dünaburg-Wilna ist im ganzen von höchstens 50.000 Mann bolschewistischer Truppen überschritten worden. Eine wesentliche Verstärkung dieser Truppen ist vorerst unmöglich, solange die Sowjetregierung an den verschiedensten Fronten um ihr Bestehen kämpfen muß. Trotzdem besteht für Ostpreußen die schwerste Gefahr völliger Ueberflutung und Vernichtung, wenn nicht alle waffenfähigen Männer Ostpreußens dem Rufe zum Eintritt in die freiwillige Volkswehr schleunigst folgen.
Oberpräsident von Batocki erlässt einen Aufruf zum freiwilligen Eintritt in die ostpreußische Volkswehr, in dessen Schluß es heißt:
„Weil die Zeit aber weniger ermahnende Worte als beispielgebende Taten fordert, werde ich selbst anfangs Februar, wo ich mit dem größten Teil meiner Amtsarbeit wohl vorläufig fertig sein werde, und wo es an der Grenze wohl ernst werden wird, trotz meiner 51 Jahre in die Volkswehr eintreten und zwar, da es mir an den zur Truppenführung vor dem Feinde nötigen Grunderfahrung fehlt, als einfacher Soldat. Oberpräsident von Batocki.“
Zur Lage im Osten teilt die Oberste Heeresleitung folgendes mit: Die vorderste Linie der freiwilligen baltischen Landeswehr verläuft von Popelsany nach Altauz. Die Bahnstrecke ist bei Popelsany unterbrochen. Ein russischer Beauftragter kündete die Besetzung des Bahnhofs Zosle, 45 km östlich von Kowna, durch stärkere russische Kräfte an, die im Vormarsch auf Kowno begriffen seien.
Gegen die wilden Streiks in Oberschlesien
Der Zentralarbeiter- und Soldatenrat für Oberschlesien in Kattowitz ist sicherlich bestrebt, in den aufgeregten Bezirk Ruhe und Ordnung zu bringen. Hat er schon mit der Verkündung des Belagerungszustandes erreicht, daß dem offenen Treiben der Spartakisten ein Ende bereitet wurde, so ist er jetzt an der Arbeit, den inneren Wirren in den einzelnen Betrieben und Werken zu Leibe zu gehen. Eine soeben zur Veröffentlichung kommende Verordnung dieses Zentralarbeiter- und Soldatenrat erkennt das Streikrecht der Arbeiter und Angestellten zur Erreichung besserer Lohn- und Arbeitsbedingungen an. Die Streiks dürfen jedoch nur von den freien Gewerkschaften, Hirsch-Dunkerschen und christlichen Gewerkschaften, der polnischen Vereinigung oder den Berufskörperschaften geführt werden. Für die Angestellten ist der Bund der technisch-industriellen Beamten zuständig. Alle sonstigen Streiks werden als gegen die öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerichtet angesehen. Die Absetzung von Beamten auf Gruben, Hütten oder sonstigen Betrieben durch die Arbeiter ist streng verboten. Beamte können verwarnt, bestraft oder abgesetzt werden, doch ist vorher von den zuständigen Organisationen mit den Werksverwaltungen jeder Fall zu prüfen oder eine Einigung herbeizuführen. Wird eine Einigung nicht erzielt, so entscheidet in erster Instanz der Kreisarbeiter- und Soldatenrat, in letzter Instanz der Zentralarbeiter- und Soldatenrat für Oberschlesien. Bereits erfolgte Absetzungen sind nachzuprüfen.
Mit dieser Verordnung, die sofort in Kraft tritt, dürfte den wilden Streiks und mit diesen Streiks dem drohenden Ruin der oberschlesischen Industrie begegnet werden.
Heute weilt Minister Hirsch in Kattowitz, um mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu verhandeln.
Quelle:
Deutsche Allgemeine Zeitung vom 17.1.1919
In: http://zefys.staatsbibliothek-berlin.de/kalender/auswahl/date/1919-01-17/2807323X/
Bild: https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_Tortilowicz_von_Batocki-Friebe#/media/File:Batocki.JPG