Föderalisierung oder Zentralisierung des Reiches?
Am 20. Januar veröffentliche Hugo Preuß die dritte Fassung seines Verfassungsentwurf, welcher selbstverständlich eine breite Diskussion auslöste. Besonders sein Plan zur Teilung Preußens in mehrere kleinere Bundesstaaten stieß auf Widerstand. Auch in Bayern - das früher wie heute um seine Rechte fürchtete - galt es als nicht hinnehmbar, das Preuß zudem die Verwaltung stärker beim Reich zentralisieren wollte.
Volltext:
Bayern gegen die Zentralisierung.
In der „Münchner Post“ nimmt Minister Auer Stellung zum Entwurf der neuen Reichsverfassung.
„Sehr richtig“, so sagt er „ist der grundsätzliche Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen dem Reich und den Bundesstaaten. Hier lässt der Entwurf kaum mehr einen Wunsch extremer Unitarier übrig, und Treitschke würde Herrn Dr. Preuß, so viel ihn sonst von diesem trennt, darüber wohl beglückt die Hand reichen. Die bayrische Sozialdemokratie wird sich das sehr überlegen müssen, denn wenn Gesetzgebung und Verwaltung des gesamten Verkehrswesens völlig auf das Reich übergehen und die Bundesstaaten in der Steuergesetzgebung auf kleine Nebenstellen oder Steuerzuschläge beschränkt werden sollen, so bedeutet das eben die Aufgabe des bundesstaatlichen Eigenlebens. Die Zerteilung Preußens scheint und damit sehr teuer, wahrscheinlich zu teuer erkauft zu sein, denn schließlich bleibt Preußen, auch in mehrere Freistaaten aufgelöst, der übermächtige Faktor nach wie vor. Die Verfassung will dem freilich dadurch begegnen, daß sie neben das Volkshaus ein Staatenhaus setzt, in das die Landtage für je eine Million Einwohner ein Mitglied zu wählen haben, in dem aber kein Staat mehr als ein Drittel der Stimmen haben darf. Aber auch das bedeutet keine Sicherung für die Bundesstaaten. Ich selbst habe schon mehrmals erklärt, daß ich die vorbehaltlose Aufhebung des Bundesrates bedauere.
Die Bundesstaaten werden wohl das Recht für sich in Anspruch nehmen müssen, daß die Verfassungen nicht ausschließlich von der Nationalversammlung gegeben werden, sondern, daß sie in der Frage der Abgrenzung gegenüber den Bundesstaaten auch von diesen mitbeschlossen wird. Die Reichsregierung sollte zusammen mit den Regierungen der deutschen Bundesstaaten ein vorläufiges Grundgesetz mit den dringendsten Sicherungen der Demokratie aufstellen, das die Vertretung und Mitwirkung der Einzelstaaten klar umschreibt und dieses Gesetz der Nationalversammlung unterbreitet. Damit haben wir dann ein nach Innen und Außen verantwortungsvolles Parlament, eine verantwortliche verhandlungsfähige Regierung, die auch völkerrechtlich geltende Verhandlungen führen und völkerrechtlich bindende Verträge abschließen kann. Während wir zugleich für die Schaffung des Verfassungswerkes die Zeit und Ruhe gewinnen werden, die absolut notwendig sind, um etwas ins Leben zu rufen, was die Zusammenfassung aller Kräfte unter Aufrechterhaltung der kulturellen Eigenarten der einzelnen deutschen Gebiete ermöglicht.“
Auch der bayrische Verkehrsminister v. Frauendorfer nahm in einer Konferenz Stellung gegen die Übernahme des bayrischen Verkehrswesens auf das Reich.
Die Darlegung Auers, der als geistiges Haupt der bayrischen Sozialdemokratie der eigentliche Vertrauensmann der linksstehenden Kreise Bayerns ist, machen den Eindruck, als werde der deutschen Republik nicht die Auseinandersetzung zwischen Föderalismus und Zentralismus erspart bleiben. Dieser Kampf ist in den Vereinigten Staaten und der Schweiz zu Ungunsten des Föderalismus entschieden worden, weil für den Kantönli-Geist im Zeitalter des Verkehrs kein Raum ist. Gewiß ist ein Zentralismus ohne weitgehende Autonomie der Bundesglieder in deutschen Landen nicht möglich und auch nicht wünschenswert. Aber die ängstliche Wahrung der ehemals königlichen bayrischen Reserverechte läßt sich durch sachliche Gründe nicht rechtfertigen, ebenso wenig wie der Standpunkt, der für Bayern die Abtrennung stammesfremder Gebietsteile, wie der Pfalz oder Frankens, mit Entrüstung abweist, gleichzeitig aber eine Zerstückelung Preußens auf Grund der alten Stammengliederung mit Eifer wünscht. Wer lediglich sachlichen Standpunkten folgt, wird der Abgrenzungsfrage der Einzelstaaten mindere Bedeutung beimessen als der prinzipiellen Auseinandersetzung zwischen Reichsrecht und Landesmacht. Je eingeschränkter die Kompetenzen der Landesverwaltung sind, je stärker in allen lebenswichtigen Fragen der einheitlich zu [nicht lesbar] deutschen Volkes zu Geltung kommt, desto [nicht lesbar] und leidenschaftsloser kann die Frage geschlichtet werden, ob Preußen Preußen bleiben oder zu Gunsten aller möglichen Sonderwünsche zerrissen werden soll. Je deutscher die übrigen Einzelstaaten sind, desto weniger preußisch werden die Preußen sein.
Quelle:
Vossische Zeitung vom 23. Januar 1919, Nr. 41 Abend, S.2f
In: http://zefys.staatsbibliothek-berlin.de/index.php?id=dfg-viewer&set%5Bmets%5D=http%3A%2F%2Fcontent.staatsbibliothek-berlin.de%2Fzefys%2FSNP27112366-19190123-0-0-0-0.xml
Bild:
https://de.wikipedia.org/wiki/Hugo_Preu%C3%9F#/media/File:Deutsches_Reich_Preuss.svg