An das rheinische Volk!
Das Reich wird durch den Versailler Vertrag mit enormen Reparationsforderungen konfrontiert. Kein Wunder, dass angesichts dessen in Grenzregionen eine Los-von-Berlin-Stimmung aufkommt.In Bayern, dem Norden und Osten sowie insbesondere im Westen gibt es opportunistische Politiker, die versuchen sich als Teil eines nicht-deutsches Volk zu definieren. Wohl in der Hoffnung dann milder von der Entente behandelt zu werden, als der Rest Deutschlands. Die hier ausgerufene "Rheinische Republik" findet jedoch kaum Rückhalt in der Bevölkerung und erlangt keine politische Realität.
Volltext:
Der Augenblick ist gekommen, wo es gilt, dem Völkerfrieden eine Brücke zu bauen. In dieser Stunde der höchsten Not, die auch über sein eigenes Geschick die Entscheidung bringen soll, verlangt das rheinische Volk selbst gehört zu werden. Vor diesem felsenfesten Entschluß, geboren aus dem von aller Welt anerkannten Recht der Selbstbestimmung, muß jeder Zwang, woher er immer komme, zurückweichen. Das rheinische Volk will aufrichtig und ehrlich einen Frieden, der die Grundlage für die Versöhnung aller Völker bilden würde. Deshalb sagt es sich aus freien Stücken los von den Grundübeln, durch die so viele Kriege verursacht wurden: dem entarteten Feudalismus und Militarismus. Damit beseitigt es für immer das Hindernis, das sich einem wahren Frieden entgegenstellt.
Der Entwurf des Friedensvertrages, bedingt einerseits durch die auch von der Reichsregierung anerkannte Forderung der Gerechtigkeit und Billigkeit, die Frankreich und Belgien zugefügten großen Verwüstungen und großen Schäden wieder gutzumachen und hinreichende Garantien gegen die Wiederholung neuer Kriege zu schaffen, bedeutet andererseits eine furchtbare Belastung des deutschen Volkes.
Zur allgemeinen und endgültigen Völkerversöhnung von ganzem Herzen beizutragen, ist die vornehmste Pflicht des rheinischen Volkes.
Wir erklären daher folgendes: Es wird eine selbstständige Rheinische Republik im Verbande des Deutschen Reiches als Friedensrepublik errichtet, die das Rheinland, Alt-Nassau, Rheinhessen und die Rheinpfalz umfaßt.
Die Errichtung geschieht auf folgender Grundlage:
1. Die Grenzen bleiben die alten, Birkenfeld wird einbezogen.
2. Zu Grenzänderungen bedarf es der Zustimmung der betreffenden Volksteile, die im Wege der Volksabstimmung festgestellt wird.
Die vorläufige Regierung wird durch Delegierte der unterzeichneten Ausschüsse ausgeübt. Die Erlaubnis zur unverzüglichen Vornahme der Wahlen zur rheinischen Landesversammlung auf der Grundlage des Wahlrechts zur deutschen Nationalversammlung und deren baldige Einberufung wird sofort nachgesucht werden.
Als Ort für den Sitz der Regierung und den Zusammentritt der Landesversammlung gilt Koblenz. Die vorläufige Regierung hat ihren Sitz einstweilen in Wiesbaden.
Die Landes- und Kommunalbehörden üben bis auf Weiteres ihre bisherige Amtstätigkeit aus. An Stelle der preußischen, bayerischen und hessischen Zentralregierungen tritt die vorläufige Regierung der Rheinischen Republik.
Es lebe die Rheinische Republik!
Aachen, Mainz, Speyer, Wiesbaden, den 1. Juni 1919.
Der Rheinische Arbeitsausschuß.
Der Vereinigte Nassauisch-Rheinhessische Arbeitsausschuß.
Der Pfälzische Arbeitsausschuß.
Quelle:
Ursachen und Folgen, Bd. 3, S. 148 f.