Die Weimarer Republik – Deutschlands erste Demokratie

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Es wächst vielleicht doch nicht zusammen, was zusammen gehört

War man vor nur wenigen Wochen noch vollends begeistert und überzeugt vom bevorstehenden Zusammenschluss der Thüringer Einzelstaaten, so sieht die Sache jetzt ganz anders aus. Sollte sich Erfurt nicht an Thüringen anschließen können, möchte man in Schwarzburg-Sondershausen lieber den Anschluss des Landes an Preußen suchen. Getreu der Devise: Was kümmern mich die anderen, ich kümmere mich lieber um mich.

Flagge von Schwarzburg-Sonderhausen

Volltext:

Der Gemeinschaftsvertrag der Thüringer Staaten und Schwarzburg-Sondershausen.

von Dr. Herwig-Arnstadt.

 

Mit an sich erfreulicher Schnelligkeit haben die Thüringer Regierungen den Zusammenschluss Thüringens bearbeitet. Ein Gemeinschaftsvertrag wird dem Landtage vorgelegt, durch den der Zusammenschluss Thüringens schnell und einfach durchgeführt werden soll. Ein Volksrat, in dem die Einzelstaaten durch einige Vertreter vertreten sein sollen, wird vollstes Bestimmungsrecht auf allen Gebieten der Gesetzgebung haben; nur auf finanziellen Gebiet soll ein besonders geartetes Verfahren durchgeführt werden. Mit der Annahme dieses Vertrages geben die Einzelstaaten tatsächlich ihre Selbstständigkeit auf. Schwarzburg-Sondershausen wird also vielleicht schon in Kürze aufgehört haben, als selbstständiger Staat zu bestehen. Wie weit die Befugnisse des Volksrates gehen, zeigt der bereits von einer maßgebenden Stelle gegebene Hinweis, daß der Volksrat z.B. in der Lage ist, den Austausch unserer Unterherrschaft gegen preußische Gebietsteile zu beschließen, und kein Sträuben würde die Schwarzburg-Sondershäuser Unterherrschaft davor bewahren, gegen ihren Willen Preußen zu werden.

Daß die Thüringer Frage bisher nach demokratischen Grundsätzen behandelt worden sei, lässt sich füglich nicht sagen; das Volk erfährt von alledem in letzter Stunde. Und doch handelt es sich um die einschneidendsten Lebensfragen für alle Zukunft, die seit langen Monaten die Gemüter bewegen. Wohl keiner ist darüber im Zweifel, daß unser kleines Land für sich allein nicht bestehen kann. Aber, wo es den Anschluss finden soll, das ist die Frage.

Es ist noch keineswegs klar, wo für Schwarzburg-Sonderhausen das Bessere liegt. Drei Möglichkeiten gibt es: Anschluss an das vereinigte Thüringen mit Erfurt, Anschluss an ein Thüringen ohne Erfurt und schließlich - Anschluss an Preußen. Den Anschluss an Thüringen mit Erfurt wird wohl jeder mit Freuden begrüßt. Anders liegt es bei Thüringen ohne Erfurt. Viele sagen mit Recht, daß ein Thüringen ohne Erfurt nicht lebensfähig ist, weil Erfurt von alters her und durch seine Lage der wirtschaftliche Mittelpunkt Thüringens ist. Dies letzte gilt  ganz besonders für Schwarzburg-Sondershausen. Sowohl die Oberherrschaft als auch die Unterherrschaft finden, da ihnen eine eigene Zentrale fehlt, ihren wirtschaftlichen Mittelpunkt in Erfurt. In Erfurt haben sie ihr Landgericht, Anschluss an wichtige Verwaltungsbehörden (z.B. Oberzolldirketion, Bezirkskommando für die Oberherrschaft), in Erfurt vor allen Dingen die Zentralen vieler wirtschaftlicher Einrichtungen und Verbände. Gilt es schon zu erwägen, ob ein Thüringen ohne Erfurt seinen Zweck erfüllen wird, so gilt es für Schwarzburg-Sondershausen ganz besonders zu prüfen, ob sein Anschluss an ein Thüringen ohne Erfurt wirklich zu wünschen ist. Der neue Volksrat wird, falls Erfurt sich nicht anschließt, Stellung zu dem Anschluss Thüringens an Preußen zu nehmen haben. Schwarzburg-Sondershausen aber hat schon jetzt zu prüfen, ob es sich nicht für den fall, daß Erfurt nicht zu den vereinigten Thüringen kommt, die Möglichkeit des Anschlusses an Preußen ohne Rücksicht auf die übrigen Staaten wenigstens vorbereiten will. Die Zulässigkeit eines solchen Vorbehaltes wird sich nicht bezweifeln lassen. Schwarzsburg-Sonderhausen würde eben seinen Beitritt zu dem Gemeinschaftsvertrag nur unter der Bedingung erklären, daß ihm für den Fall, daß der Kreis Erfurt nicht an das vereinigte Thüringen angeschlossen wird, der Rücktritt von dem Gemeinschaftsvertrag vorbehalten bleiben.

Schwarzburg-Sondershausen braucht sich dem neuen Thüringen nicht auf Gnade und Ungnade zu verschreiben. Wir kommen nicht mit leeren Händen. Unsere Domänen und Bergwerke sind eine Gabe, die gar mancher Gegengabe wert ist.

Für einen solchen Vorbehalt ist nur jetzt gelegentlich der Zustimmung zu dem Gemeinschaftsvertrage die Zeit; später ist er unmöglich. Der gegenwärtig tagende Landtag hat über die Zukunft des Landes zu beschließen; er wird diese Frage nicht unbeachtete lassen können.

Quelle:

Der Deutsche vom 12. Juni 1919, Nr. 133

In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00247625/SDH_19376538_1919_Der_Deutsche_0573.tif?logicalDiv=jportal_jpvolume_00306804

 

Bild:

https://de.wikipedia.org/wiki/Freistaat_Schwarzburg-Sondershausen#/media/Datei:Flagge_Fürstentümer_Schwarzburg.svg

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Ein Projekt des Weimarer Republik e.V. mit freundlicher Unterstützung

Glossar

Abkürzungs- und Siglenverzeichnis der verwendeten Literatur:

ADGBAllgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund
AEGAllgemeine Elektricitäts-Gesellschaft
AfA-BundGeneral Free Federation of Employees
AVUSAutomobil-Verkehrs- und Übungsstraße
BMWBayrische Motorenwerke
BRTBruttoregistertonne
BVPBayerische Volkspartei
CenterZentrumspartei
DAPDeutsche Arbeiterpartei
DDPDeutsche Demokratische Partei
DNTDeutsches Nationaltheater
DNVPDeutsch-Nationale Volkspartei
DVPDeutsche Volkspartei
KominternCommunist International
KPDKommunistische Partei Deutschlands
KVPKonservative Volkspartei
MSPDMehrheitssozialdemokratische Partei Deutschlands
NSNationalsozialismus
NSDAPNationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei; Nazipartei
NVNationalversammlung
O.C.Organization Consul
OHLOberste Heeresleitung
RMReichsmark
SASturmabteilung; Brownshirts
SPDSozialdemokratische Partei Deutschlands
SSSchutzstaffel
StGBPenal Code
UfAUniversum Film Aktiengesellschaft
USPDUnabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands
VKPDVereinigte Kommunistische Partei Deutschlands
ZentrumDeutsche Zentrumspartei
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(zusammengestellt von Dr. Jens Riederer und Christine Rost, bearbeitet von Stephan Zänker)