Mann will der Entente ein Schnippchen schlagen
Mann empfängt Besuch und beschäftigt sich mit dem deutschen Gegenvorschlag zum Ententefrieden. Er empfindet die Haltung von Deutschland als "bieder". Es sei besser den angebotenen Frieden anzunehmen und dann dessen Unerfüllbarkeit zu demonstrieren.
Volltext:
Freitag den 30. V.
War nach der Arbeit in der Stadt, bezahlte Rechnungen, kaufte bei Brückner Kosmetiken, holte von Schweizer meine Taschenuhr, die genauestens reguliert u. wie neu ist. Nachmittags im Garten. Zum Thee Schwegerle u. Frau. Es wurde in K.'s Zimmer der Platz für meine Büste bestimmt. Sie erzählte mir im Garten von den Kämpfen in Freimann zwischen roter und weißer Garde. Sie blieben bis 8 Uhr. Die Post brachte Einladung der Dresdener Liter. Gesellschaft, Dank von Mama für das »Kindchen«, allerlei Drucksachen, ein Buch von Krieck »Die deutsche Staatsidee« (Diederichs). Beschäftigte mich nach dem Abendbrot mit diesen Dingen. Fahre im Bette mit dem Sinclair fort. Der stilistische Widerspruch liegt darin, daß die Erzählung sich durchaus als Leben giebt (mit dem Namen des Verfassers als dem des Helden etc.), daß sie aber dabei deutlich u. durch u. durch geistige Konstruktion und Komposition ist. Das ist ein Fehler. Eine Konstruktion müßte sich mehr als solche, künstlicher geben. – Die deutschen Gegenvorschläge, mit dem Angebot einer Vergütung von 100 Milliarden Gold, sind übersandt worden. Ich finde, daß Deutschland sich bieder verhält, wie immer. Aber wäre es nicht klüger, den Ententefrieden zu unterzeichnen, der nicht gehalten werden kann, als den eigenen, den man wird halten müssen? Lord Cecil rät uns das erstere.
Quelle:
de Mendelssohn, Peter (Hrsg.), Thomas Mann. Tagebücher 1918-1921, Frankfurt am Main 1979, S. 252 f.