Vossische Zeitung: "Die Reichsregierung gegen Hochverratsgelüste"
Der verlorene Krieg und die absehbar harten Friedensbedingungen schwächten den Zusammenhalt des Deutschen Reiches enorm. In zahlreichen Grenzregionen kam es zu seperatistischen Bestrebungen, die teilweise von der Entente begünstigt wurden. Diese warb mit Sonderfriedensbedingungen um mögliche Austrittskandidaten in Bayern oder dem Rheinland. Diese Situation setzt die Reichsregierung in den Friedensverhandlungen mit der Entente zusätzlich unter Druck.
Volltext:
Warnung!
Nach zuverlässigen Nachrichten besteht der verbrecherische Plan, die Provinz Rheinland zur selbstständigen Republik auszurufen. Verfassungsmäßig bildet die Provinz Rheinland einen Bestandteil des preußischen Staates. Wer es unternimmt, diesen verfassungsmäßigen Zustand durch Loslösung der Provinz Rheinland vom preußischen Staatsgebiete zu ändern, macht sich des Hochverrates schuldig, der nach § 81 des Reichsstrafgesetzes mit lebenslänglichen Zuchthaus oder lebenslänglicher Festungshaft bestraft wird. Die strafverfahrenden Behörden sind verpflichtet, gegen jeden an hochverräterischen Umtrieben Beteiligten mit der vollen Schärfe des Gesetzes einzuschreiten.
Berlin, 28. Mai 1919
Die Reichsregierung. [...]
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Frankfurt a.M., 28. Mai.
Aus vertrauenswürdigster Quelle wird mitgeteilt, daß trotz wiederholter Ableugnungen die Ausrufung der rheinischen Republik in Aachen und Wiesbaden für den morgigen Himmelfahrtstag endgültig geplant ist.
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Die "Rheinische Zeitung" ist wegen Veröffentlichung der Unterhaltung des französischen kommandierenden Generals Mangin mit dem Redakteur der "Kölnischen Volkszeitung", Frohberger, und den beiden Zentrumsabgeordneten auf 8 Tage von der britischen Besatzungsbehörde verboten worden, was die englische Auffassung von Zensurfreiheit vortrefflich illustriert.
Die sozialdemokratische Partei in Köln hat für die nächsten Tage große Protestversammlungen gegen den hochverräterischen Plan einberufen, Rheinland von Deutschland zu trennen. Das Kabinett hat sich in der gestern abend abgehaltenen Sitzung mit den Vorkommnissen in Mainz, Koblenz und Köln befaßt. Dabei ist der Gedanke der Ernennung eines Staatskommissars ventiliert worden, da diese Institution in Schleswig und Oberschlesien sich ganz ausgezeichnet bewährt hat.
Quelle:
Vossische Zeitung vom 28. Mai 1919 (A)
In: http://zefys.staatsbibliothek-berlin.de/index.php?id=dfg-viewer&set%5Bmets%5D=http%3A%2F%2Fcontent.staatsbibliothek-berlin.de%2Fzefys%2FSNP27112366-19190528-1-0-0-0.xml
Bild:
https://de.wikipedia.org/wiki/Reichsregierung_(Weimarer_Republik)#/media/File:Bundesarchiv_Bild_183-R08282,_Weimar,_Regierung_Scheidemann.jpg