Wir Günther, von Gottes Gnaden etc. usw. verzichten auf die Krone
Für das Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen, aber auch für das 'weitere Vaterland', war der 25. Nov. 1918 ein historischer Tag. Der letzte deutsche Bundesfürst trat zurück und dies, wie der Abschiedserklärung entnommen werden kann, nicht freiwillig. Fürst Günther "weiche allein der Gewalt". Zwar nicht der "physischen Gewalt", wohl aber der "Gewalt der Verhältnisse". Seine Minister und Abgeordneten zollten ihm Dank und zeigten Trauer über Günthers Abdankung. Nicht so der spätere "Volksminister" Wilhelm Bärwinkel (USPD) - Kürschner und Bäckerssohn, der den friedlichen Übergang maßgeblich mitbestimmte. In späteren Jahren trat Bärwinkel dem antimonarchistisch gesinnten Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold als Ehrenmitglied bei.
Das Ende der monarchischen Staatsform in Deutschland; es vollzog sich in dem 'engeren Vaterland' der thüringischen Provinz.
Volltext:
LXXIV. Sitzung
Sondershausen, den 25. November 1918
[...]
2) Verzicht des Fürsten auf die Regierung in Schwarzburg-Sondershausen
Der Diener verteilt hierauf das 25. Stück der Gesetz-Sammlung für das Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen, ausgegeben am 25. November 1918, in welchem unter Nr. 53 das vom Fürsten unterschriebene Gesetz über eine Ergänzung des Landesgrundgesetzes vom 25. November 1918 gemäß den Beschlüssen des Landtages veröffentlicht ist, an die Landtagsabgeordneten, die Vertreter der Staatsregierung und das anwesende Publikum.
Der Präsident
stellt fest, daß das Gesetz ordnungsgemäß veröffentlicht ist.
Staatsminister Frh. [Franz] v.d. Recke:
Seine Durchlaucht der regierende Fürst habe ihn beauftragt, alsbald nach der Veröffentlichung dieses Gesetzes, durch welches die Grundlage für die gesetzmäßige Überleitung der bisherigen in die neue Staatsform gegeben sei, den Verzicht des Durchlauchtigsten Fürsten auf die Regierung und die Krone des Fürstentums Schwarzburg-Sondershausen auszusprechen. Dieser Verzicht sei kein freiwilliger, und er beruhe nicht auf den Folgerungen eines freudigen Entschlusses, den Seine Durchlaucht habe fassen können. Im Gegenteil: Seine Durchlaucht weiche der Gewalt, wenn auch nicht der physischen Gewalt, so doch der Gewalt der Verhältnisse, die gegenwärtig auf unser deutsches Vaterland eingestürmt seien. Der Fürst habe von seiner Jugend an auf dem Boden der monarchischen Staatsform gestanden. Er habe beim Antritt der Regierung den Eid auf die Verfassung geleistet und während seiner neunjährigen Regierung im Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen diesen Eid stets gehalten. Er dürfe es aussprechen, daß Seine Durchlaucht niemals auch nur in geringster Weise gegen irgend eine Bestimmung der Gesetze verstoßen, daß er sich vielmehr stets streng an die Landesgesetze gehalten habe. Seine Durchlaucht sehe auch für die Zukunft in der konstitutionellen Monarchie, wie sie im deutschen Vaterlande bestanden habe, die beste Gewähr für eine gedeihliche Entwicklung des Volkes; deshalb könne er auch nur der Gewalt weichen, wenn er jetzt auf die Regierung des Landes verzichte. Und besonders der eine Gesichtspunkt habe Seiner Durchlaucht den Entschluß leichter gemacht: Er habe jetzt, nachdem durch gesetzliche Bestimmungen eine Gewähr dafür geleistet sei, die Sicherheit, daß er durch seinen Verzicht auf die Krone das Land vor großen Unruhen und Erschütterungen bewahre, und könne deshalb jetzt den Verzicht auf die Regierung und die Krone vor dem hohen Hause und dem Lande ruhigeren Herzens aussprechen.
Der Staatsminister verliest darauf die Verzichtsurkunde mit folgendem Wortlaut:
Wir Günther,
von Gottes Gnaden Fürst zu Schwarzburg, Graf zu Hohnstein, Herr zu Arnstadt, Sondershausen, Leutenberg, Blankenburg usw.
tun kund und zu wissen:
Nachdem seine Majestät der Deutsche Kaiser die Regierung niedergelegt hat und mehrere deutsche Bundesfürsten seinem Beispiel gefolgt sind, nachdem ferner in Berlin für das Deutsche Reich die Republik verkündet worden ist, haben Wir Uns entschlossen, die Regierung im Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen niederzulegen und für Uns und Unser Fürstliches Haus auf die Krone zu verzichten.
Ohne überall an den Uns am Kammergute Unseres Hauses zustehenden Rechten festhalten zu wollen, vertrauen Wir, daß eine billige Regelung der Kammergutsfrage zwischen Uns und dem Lande zu Stande kommen wird.
Allen Unseren getreuen Untertanen und Dienern danken Wir für ihre langjährige Treue und Anhänglichkeit. Wir entbinden alle Beamten, Geistlichen und Lehrer von dem Uns geleisteten Eide und hoffen, daß sie ferner alle ihnen vermöge ihres Amtes obliegenden Pflichten dem Lande gegenüber nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen werden.
Urkundlich unter Unserer Unterschrift und Unserem Fürstlichen Siegel.
Sondershausen, den 25. November 1918
gez. Günther
gegengezeichnet
gez. Frhr. v.d. Recke gez. [Theodor] Bauer gez. [Ernst] von Nesse
Während der Verlesung der Urkunde hatten sich alle Anwesenden mit Ausnahme des Abgeordneten Bärwinkel von ihren Plätzen erhoben.
[...]
Abgeordneter Hallensleben:
Meine Herren! Die Tatsache, daß der Durchlauchtigste Fürst für sich und sein Haus die Regierung niedergelegt hat und das Land nunmehr ein Volksstaat wird, mag für die große Welt draußen kein erschütterndes Ereignis sein. Für uns Schwarzburger aber bedeutet sie viel, sie bedeutet den Abschluß einer vielhundertjährigen Fürsten- und Landesgeschichte, den Abschied von alten, liebgewordenen Verhältnissen und Einrichtungen, mit denen wir aufs innigste verwachsen waren. [...]
Nehmen wir aber auch Abschied vom Fürsten als dem Herrn unseres engeren Vaterlandes, so nehmen wir doch nicht Abschied von ihm als Menschen und Mitbürger. Denn nichts ist bezeichnender für seine Denkart, als daß er beim Scheiden vom Thron den Wunsch ausgesprochen hat, fernerhin im Schwarzburger Land unter Schwarzburger in Frieden leben zu dürfen. [...]
Zu Ehren unseres letzten Schwarzburger Fürsten aber bitte ich Sie, meine Herren, sich von ihren Plätzen zu erheben.
Sämtliche Anwesende mit Ausnahme des Abgeordneten Bärwinkel erheben sich von ihren Plätzen.
Abgeordneter Bärwinkel:
Die beiden Herrn Vorredner hätten betont, daß die Schwarzburger Geschichte an einem Wendepunkt angekommen sei. Nach dem Verzicht des Fürsten auf die Regierung sei auch Schwarzburg-Sondershausen als letzter der Bundesstaaten ein Volksstaat geworden. Nunmehr herrsche auch hier der Grundsatz: Alles für das Volk durch das Volk! Die Förderung der Kulturaufgaben werde nun vom Fürsten auf das Volk übernommen werden. Das Volk werde diese Kulturaufgabe nicht vernachlässigen, sondern fördern zum allgemeinen Wohl. [...]
Quelle:
Landtagsverhandlungen Schwarzburg-Sondershausen, Finanzperiode 1916-1919, Abt. C: Sitzungsberichte, S. 867-871.
In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00224127/Film-430_1551.tif
Bild:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schwarzburg-Sondershausen#/media/File:Flagge_F%C3%BCrstentum_Schwarzburg-Sondershausen.png